Arbeitsrecht, Tipps vom Fachanwalt
Liebert & Röth: Rechtsanwälte für Arbeitsrecht, Berlin Schöneberg-Tempelhof
1. Weisungen des Arbeitgebers:
Wie macht man das und was kann der Arbeitnehmer dagegen tun?
Das Weisungs-/Direktionsrecht des Arbeitgebers ergibt sich immer aus dem Arbeitsvertrag. Wenn der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die Grenzen, die der Arbeitsvertrag zieht, überschreiten würde, handelt es sich nicht um eine rechtmäßige Weisung, sondern er müsste seinen Willen mittels einer sogenannten Änderungskündigung durchsetzen, das heißt den bisherigen Arbeitsvertrag kündigen und einen geänderten Arbeitsvertrag, der das enthält, was der Arbeitgeber will, anbieten.
Wann ist nun ein Weisungsrecht vom Arbeitsvertrag gedeckt bzw. wie wird es geprüft?
Dies geschieht immer in einem Dreischritt:
- Ist diese konkrete Weisung vom Arbeitsvertrag gedeckt?
- Entspricht die Maßnahme billigem Ermessen?
- Sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebs-/Personalrates gewahrt?
Zu a.
Dies kann nur dann der Fall sein, wenn im Arbeitsvertrag die Leistungspflicht nur rahmenmäßig umschrieben wird und dementsprechend der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit bestimmen kann.
Beispiele:
Als Arbeitsort ist die Bundesrepublik Deutschland im Arbeitsvertrag vorgesehen und der Arbeitnehmer soll von Bochum nach Berlin versetzt werden.
Als Tätigkeitsbeschreibung ist Hilfsarbeiterin vorgesehen und der Arbeitgeber weist sie an Fenster zu putzen.
Im Arbeitsvertrag ist hinsichtlich etwaiger Schichten nichts geregelt: es kann also auch ein Wechsel der Schicht angeordnet werden, z. B. von der Nacht- in die Tagschicht.
Beispiele, die das Direktionsrecht überschreiten:
Im Arbeitsvertrag ist der Arbeitsort Berlin ausdrücklich festgeschrieben und es gibt keine allgemeine Versetzungsklausel: Dann wäre eine Versetzung von Berlin nach Hamburg (Ausnahme: vorübergehender Notfall) nur mittels Änderungskündigung möglich.
Hier darf hinzugefügt werden, dass das Weisungsrecht sich niemals auf feste Hauptleistungspflichten erstrecken kann (weniger Lohn als Weisung oder weniger Arbeit als festgeschrieben, geht nicht). Generell gibt es Weisungen nur auf drei Feldern, nämlich: Arbeitsort, Arbeitszeit und Art der Arbeitsleistung.
Bei Arbeitszeit und Art der Arbeitsleistung ist ausschließlich der Arbeitsvertrag von Bedeutung. Welche Arbeitszeiten sind da vorgeschrieben bzw. welche Arbeitstätigkeit ist im Arbeitsvertrag umschrieben. Bei Arbeitsort kommt es darauf an, was in dem Arbeitsvertrag steht und ob im Arbeitsvertrag sich Versetzungsklauseln finden.
So findet sich im Arbeitsvertrag zum Beispiel:
„… wird ab dem 06.05.1996 als Flugbegleiterin im Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent in Hamburg beschäftigt…“
und einen Absatz weiter findet sich
„… (die Arbeitgeberin kann … (die Arbeitnehmerin) an einem anderen Ort… einsetzen.“
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 30. November 2016 (10 AZR 11/16) hierzu ausgeführt, dass Absatz 1 lediglich den ersten Einsatzort nannte und es der Arbeitgeberin jederzeit möglich ist einen anderen zu benennen.
Eine weitere Möglichkeit über den Arbeitsvertrag hinaus Räume für Versetzungen zu schaffen, ist die Einbeziehung eines Tarifvertrages. Wenn sich z. B. im Tarifvertrag findet, dass man dem Arbeitnehmer auch eine andere zumutbare Arbeitstätigkeit übertragen darf, so kann dies z. B. dazu führen, dass ein Straßenbahnfahrer-Anwärter als Pförtner tätig zu sein hat (Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Oktober 2011-16 Sa 711/11).
Wenn nun Arbeitsvertrag/Tarifvertrag die konkrete Weisung des Arbeitgebers vom Rahmen her ermöglichen, sind folgende zwei weiteren Stufen zu prüfen.
Zu b. Billiges Ermessen
Gemäß § 106 GewO hat der Arbeitgeber bei Ausübung seines Weisungsrechts dies nach billigem Ermessen näher zu bestimmen und auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. § 315 BGB besagt zusätzlich, dass eine Bestimmung durch einen Vertragschließenden nach billigem Ermessen zu treffen ist und Abs. 3 des § 315 BGB sagt, dass sie für den anderen Teil nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen.
Der Arbeitgeber muss, wenn er konkrete Personen, die er z. B. versetzen will, auswählt, alle in Betracht kommenden Arbeitnehmer einbeziehen und nach nachvollziehbaren Gründen denjenigen auswählen, den es dann trifft. So dürfte z. B. die Versetzung eines Arbeitnehmers von Berlin nach Bochum in eine andere Filiale voraussichtlich unbillig sein, wenn es in Bochum und Umgebung noch mehrere andere Filialen gibt und man auch Leute von dort heranziehen könnte.
Zu c.
Sollte beim Arbeitgeber ein Betriebsrat/Personalrat existieren, müssen bei einigen Weisungen dessen Mitbestimmungsrechte beachtet werden (z. B. Versetzung).
Zusammenfassung Prüfung von Weisungen materiell
- Lässt der Arbeitsvertrag gegebenenfalls Tarifvertrag die Weisung zu oder überschreitet die Weisung den Rahmen?
- Wenn der Rahmen eingehalten ist, dann kann der Arbeitgeber Weisungen erteilen. Dann ist in zwei weiteren Schritten zu prüfen, ob etwaige Beteiligungsrechte (Personalrat, Betriebsrat) gewahrt wurden und ob diese Weisung billigem Ermessen entspricht. Billiges Ermessen bedeutet, hatte der Arbeitgeber gute Gründe für diese Weisung oder sind solche nicht ersichtlich.
Was ist zu tun, wenn eine Weisung an mich ergeht und ich diese Weisung für rechtswidrig halte?
Wenn der Arbeitgeber eine rechtmäßige Weisung erteilt hat und Sie dieser nicht Folge leisten, müssen Sie mit Abmahnungen, Zurückbehaltungsrecht am Nettolohn und später Kündigung rechnen, weil Sie Ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt haben. Wenn Sie kein Risiko eingehen wollen, erfüllen Sie die Weisung bis das Gericht das Gegenteil feststellt.
Es ist deshalb immer wichtig, dass Sie, am besten nach einem Gespräch mit dem Arbeitgeber, sollte dieser auf der Weisung beharren, diese Weisung gerichtlich prüfen lassen. Das macht man zunächst, indem man in einem Hauptsacheverfahren das Gericht feststellen lässt, dass diese Weisung rechtswidrig ist. Da das Gericht aber einige Wochen bis dahin brauchen kann, kann man auch versuchen in einem weiteren Schnellverfahren diese Weisung vom Gericht vorläufig für rechtswidrig erachten zu lassen.
Leider sind einige Arbeitsgerichte hier sehr zurückhaltend und lehnen dann z.B. die Schnellverfahren mit Entscheidungen aus dem Jahre 1979 ab.
Erfolg werden Sie allerdings in der Regel mit Schnellverfahren haben, wenn die Weisung schon offensichtlich den Rahmen, der vom Arbeits-/Tarifvertrag gesetzt ist, überschreitet und/oder offensichtlich Ihnen unzumutbar ist (das bedeutet wiederum, dass man den Eindruck hat, Sie sollen schikaniert werden und ein nachvollziehbarer Grund für die Weisung überhaupt nicht ersichtlich ist).
Es gibt allerdings auch Urteile von Landesarbeitsgerichten, die hier großzügiger sind und auch bei anderen Punkten ein Schnellverfahren entscheiden. Zum Beispiel LAG Rheinland-Pfalz –Urteil vom 20.03.2014, 5 SaGa 13/13, LAG Köln, Urteil vom 09.10.2013, Az. 5 Sa 257/13 und LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.11.2016, 7 SaGa 1629/16, alle Urteile sind im Netz zu finden.
Dass dem wieder so ist, wie oben beschrieben, ergibt sich aus einem Streit zwischen zwei Senaten des Bundesarbeitsgerichts, welcher nunmehr beigelegt ist.
Der eigentlich für Weisungsrecht nicht zuständige 5. Senat des BAG hatte in einer Entscheidung aus dem Februar 2012 folgende Doktrin aufgestellt:
Wenn der Arbeitgeber eine Weisung erteilt und diese nicht den gesetzten Rahmen des Arbeits-/Tarifvertrages überschreitet, ist der Weisung Folge zu leisten bis das Gericht die Unbilligkeit der Weisung feststellt.“
Der 10. Senat hatte ebenfalls einen Fall mit Weisungsrecht zu entscheiden und fand die Rechtsprechung des 5. Senats aus dem Jahre 2012 wiederum „unbillig“ und fragte deshalb beim 5. Senat an, ob er an seiner Rechtsprechung festhalte (Vorlagebeschluss des 10. Senats vom 14.06.2017 zum Aktenzeichen 10 AZR 330/16) und der 5. Senat teilte im Juli 2017 mit, dass er an seiner Rechtsprechung nicht mehr festhalte. Damit gilt jetzt folgender Grundsatz:
Als Arbeitnehmer müssen Sie einer rechtswidrigen Weisung nicht Folge leisten. Sollte sich allerdings im Nachhinein durch das Gericht herausstellen, dass die Weisung rechtmäßig war und Sie ihr nicht Folge geleistet haben, müssen Sie mit allen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis rechnen. Daher empfiehlt sich, wenn Ihnen das Arbeitsverhältnis wichtig ist: widersprechen Sie einer Ihrer Ansicht nach unrechtmäßigen Weisung, befolgen Sie sie jedoch zunächst bis das Gericht Abhilfe schafft.
2. Muss ich zum Personalgespräch, wenn ich arbeitsunfähig bin?
Leitsatz der Entscheidung: „Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur dann anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen, wenn hierfür ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der einen Aufschub der Weisung auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht gestattet, und die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb dringend erforderlich ist und ihm zugemutet werden kann.“(siehe Entscheidung des BAG vom 02.11.2016, Az. 10 AZR 596/15)
3. Dürfen Keylogger-Daten verwendet werden gegen den Arbeitnehmer verwendet werden?
Leitsatz der Entscheidung: „Der Einsatz eines Software-Keyloggers ist nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.“ (siehe hierzu Entscheidung des BAG vom 27.07.2017, Az. 2 AZR 681/16)
4. Muss Erholungsurlaub zweimal vom Arbeitgeber bezahlt werden?
Stellen Sie sich Folgendes vor: Der Arbeitgeber hat im September 2016 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Dagegen reichte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein und im Januar 2017 schreibt der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers den Arbeitgeber an und teilt mit, dass der Arbeitnehmer im Jahre 2017 seinen Erholungsurlaub von 01. bis 31. Dezember 2017 nehmen wolle. Der Arbeitgeber schreibt zurück, dass dagegen grundsätzlich keine Einwände bestehen, denn das Ganze hänge ja davon ab, ob nun die Kündigung wirksam sei oder nicht und für den Fall, dass sie unwirksam gewesen sein sollte, werde der Urlaub gewährt.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass eine wirksame Urlaubsgewährung (nach erfolgter Kündigung und Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung) nur dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für dessen gewollten Zeitraum freistellt und vor Antritt des Urlaubs die Urlaubsvergütung zahlt oder vorbehaltslos zusagt.
Wenn jetzt nur die Freistellung erklärt wird und eine endgültige Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung zum Zeitpunkt des Urlaubsantrittes noch nicht vorliegt und der Arbeitgeber den Urlaub nicht bezahlt, muss er damit rechnen, dass er diesen Urlaub zweimal bezahlen muss. Einmal als Urlaubsentgelt und einmal in Form des Schadensersatzes.
Dies ist nicht wirklich nachvollziehbar, hat jedoch mit der europäischen Überwölbung des Urlaubsrechts zu tun (siehe die Entscheidungen des BAG vom 10. Februar 2015, 9 AZR 455/13 und vom 19.01.2016, 2 AZR 449/15 )
Verhaltensempfehlungen
- für den Arbeitnehmer: Immer Urlaub auch nach Kündigung konkret geltend machen.
- für den Arbeitgeber: Die Haltbarkeit der Kündigung erneut genauestens prüfen und wenn eher haltbar Arbeitnehmer lediglich freistellen, wenn eher unhaltbar Arbeitnehmer freistellen und bezahlen.
5. Immer die Frist für die Kündigungsschutzklage beachten (3 Wochen ab Zugang)!
In § 4 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes ist geregelt, dass eine Kündigung als wirksam angesehen wird, wenn nicht innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht wird.
Dieser Paragraph wird immer weiter ausgeweitet, sodass man nur raten kann: Immer die Drei-Wochen-Frist beachten!
Zuletzt hat das BAG (Entscheidung vom 15.12.2016-6 AZR 430/15 Folgendes festgestellt: Ein Arbeitnehmer hatte verspätet gegen eine Kündigung geklagt. Er wollte sich jedoch gar nicht gegen die Kündigung als solche, sondern nur gegen die Berechnung der Frist wehren. Und hier hat das BAG gesagt, auch er hätte die Drei-Wochen-Frist einhalten müssen.
6. § 108 GewO – Zahlung und Abrechnung der Gehälter
§ 108 Gewerbeordnung statuiert die Pflicht bei Zahlung abzurechnen und nicht bereits vor Zahlung. Es empfiehlt sich daher, wenn Sie Löhne einklagen, nur den Bruttobetrag einzuklagen und erst danach Abrechnung.
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