Einer für alle
Artikel der freien Journalistin Stefanie Paul, entstanden in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Thomas Röth, erschienen in der Verlagsbeilage DER RECHTSBERATER der Berliner Zeitung am 5. Juli 2014.Ab 2015 gilt bundesweit ein Mindestlohn. Es wird Ausnahmen geben.
Aber Arbeitnehmer können ihr Recht einklagen
Am 1. Januar 2015 soll es soweit sein: Dann soll das Gesetz zum Mindestlohn in Kraft treten. Im September muss noch der Bundesrat über den viel diskutierten Gesetzentwurf entscheiden. Womöglich landet das Gesetz dann im Vermittlungsausschuss. Nichtsdestotrotz soll er pünktlich zum neuen Jahr kommen: der bundesweite, einheitliche Mindestlohn von 8,50 pro Stunde.
Er soll in allen Branchen flächendeckend gelten. Seit April 2014 gilt bereits in 13 Branchen ein branchenspezifischer Mindestlohn. Dazu gehören das Friseurhandwerk, das Dachdecker- und Elektrohandwerk, die berufliche Aus- und Weiterbildung, das Maler- und Lackiererhandwerk, Wäsche- reidienstleistungen, die Abfallwirtschaft sowie die Pflegebranche.
Zurzeit liegen die Mindestlöhne in Deutschland zwischen 6,50 und 13,95 Euro pro Stunde.
Eine Regel mit Ausnahmen
Der Mindestlohn werde für mehr Gerechtigkeit sorgen, verspricht Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Doch der Mindestlohn gilt nicht für alle: Ausgenommen von der neuen Regelung sind voraussichtlich zum Beispiel Auszubildende, Praktikanten, Ehrenamtliche und Langzeitarbeitslose, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Auch Saisonarbeiter und Zeitungszusteller sollen zunächst ausgenommen sein. Für Letztere soll der Anspruch auf den Mindest-lohn für die ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung nicht gelten.
Rechtsanwalt Thomas Röth begrüßt die neue Regelung dennoch. Für ihn stellt der Mindestlohn endlich eine „eindeutige Grenze“ dar:
8,50 Euro sind das Minimum, weniger geht nicht, weniger gibt’s nicht.
Bislang sei es so gewesen, sagt der Experte für Arbeitsrecht, dass er zum Teil erst recherchieren musste, um im bisherigen Gehalts-Wirrwarr herauszufinden, ab wann welcher Lohn in einer bestimmten Branche als sittenwidrig niedrig gelte.
„So etwas darf es einfach nicht geben“, sagt Thomas Röth. Der neue Mindestlohn schaffe endlich Klarheit. Die Höhe des Mindestlohns soll künftig jedes Jahr – erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2018 – von einer Kommission überprüft werden. Diese entscheidet dann, ob der Lohn angepasst wird.
Der Zoll kontrolliert
Arbeitgeber, die sich nicht ans Gesetz halten, können mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro belegt werden. Ob der Mindestlohn eingehalten wird, soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls überwachen. Doch Thomas Röth weiß, Arbeitnehmer müssen selbst für ihre Rechte kämpfen und diese einfordern. Und sei es mit einer Klage vor Gericht. Aber wer den Mindestlohn einklagen will, sollte sich vorher überlegen, wie sicher sein Job ist, rät der Experte.
Also, ob er zum Beispiel dem Kündigungsschutz unterliegt. Wer die sen nicht hat und trotzdem den Mindestlohn einfordert, könnte seinen Job verlieren. Das rät auch Anwältin Gerhild Pförtsch. Sie weiß aus Erfahrung, dass viele Arbeitgeber Tricks und Wege finden, um einen unliebsamen Arbeitnehmer loszuwerden. Zum Beispiel, indem einfach kein Lohn mehr bezahlt wird oder Stunden nicht ordnungsgemäß abgerechnet werden.
Zusätzlich sollten sich Arbeitnehmer versichern, dass sie nicht zu den Ausnahmefällen gehören. Also zum Beispiel Auszubildende sind oder zuvor langzeitarbeitslos waren. Ebenfalls eine Ausnahme stellen jene Branchen dar, in denen derzeit noch bestimmte Tarifverträge gelten. Denn in Branchen mit laufenden Tarifverträgen tritt der Mindestlohn voraussichtlich erst ein Jahr später in Kraft.
Wer seine Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß bezahlt, kann auch von Seiten der Sozialversicherungsträger, zum Beispiel der Krankenkassen, Probleme bekommen. Wenn dort ein Prüfer feststellt, dass die Mitarbeiter trotz gesetzlichen oder tarifvertraglichen Mindestlohns ein geringeres Entgelt erhalten, drohen dem Arbeitgeber Nachforderungen.