Insolvenz des Bauunternehmens – was der Bauherr tun kann
Liebert & Röth Rechtsanwälte, wir machen Baurecht in Berlin & bundesweit
Nachrichten über insolvente Bauunternehmen finden sich täglich in der Presse. Prominentes und aktuelles Beispiel ist die Insolvenzanmeldung des Massivhaus-Anbieters Helma Eigenheimbau AG Anfang März 2024.
Für Bauherren (Auftraggeber) stellt sich die Frage, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Die Insolvenz eines Bauunternehmens kann für alle Beteiligten gravierende Folgen haben. Je nachdem, ob der Bauvertrag nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) oder ausschließlich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geschlossen wurde, ergeben sich unterschiedliche Rechte und Pflichten für den Auftraggeber und den Auftragnehmer.
In diesem Artikel erklären wir, was Sie als Auftraggeber bei einer Insolvenz eines Bauunternehmens beachten müssen und wie Sie sich vor finanziellen Schäden schützen können.
Im Falle eines insolventen Bauträgers ist die Situation etwas anders, hierzu lesen Sie den Artikel Insolvenz des Bauträgers
Insolvenzverfahren beim Auftragnehmer
An den vertraglichen Grundlagen ändert sich zunächst durch das Insolvenzverfahren nichts.
Der Vertrag bleibt so bestehen, wie er ursprünglich zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossen wurde. Der Insolvenzverwalter kann den Bauvertrag nicht inhaltlich abändern.
Aber:
- Erfahrungsgemäß entstehen erhebliche Verzögerungen, die Arbeiten auf der Baustelle werden in aller Regel zumindest temporär eingestellt.
- Der Insolvenzverwalter hat nach § 103 InsO ein Wahlrecht, ob er die Verträge kündigen oder ob er weiter bauen möchte.
- Zunächst verschafft sich der Insolvenzverwalter einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des zahlungsunfähigen Unternehmens. Je nach Größe der Insolvenz kann diese Prüfung zwischen drei und zehn Monaten dauern. In der Zeit ruhen dann auch in der Regel die Arbeiten.
Freie Kündigung des Bauvertrags nach § 648 BGB
Mithin eine sehr ungünstige und unsichere Situation für den Bauherrn. Es stellt sich die Frage ob bzw. wie er sich dem Vertrag lösen kann.
Ein Rücktritt vom Bauvertrag oder dessen Widerruf kommen in der Regel nicht in Betracht. Allerdings hat der Auftraggeber die Möglichkeit seinen Bauvertrag jederzeit mit sofortiger Wirkungnach § 649 BGB zu kündigen.
Nachteil dieser sogenannten freien Kündigung ist aber, dass der Auftragnehmer dann, neben des Werklohns für die erbrachten Leistungen, auch für die noch nicht erbrachten Leistungen die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen verlangen. Gerade wenn das Bauvorhaben gerade erst begonnen wurde, ist diese Vorgehensweise also risikoreich und möglicherweise teuer für den Auftraggeber.
Kündigung des Bauvertrages nach § 8 VOB/B
Ist im Vertrag die Einbeziehung der VOB/B vereinbart, ergibt sich ein besonderer Kündigungsgrund wegen der Insolvenz des Vertragspartners.
Die VOB/B ist ein Regelwerk von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die für Bauverträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Bauunternehmen verwendet werden. Die VOB/B enthält spezielle Regelungen für das Baurecht, die von den gesetzlichen Vorschriften des BGB abweichen. Die VOB/B muss ausdrücklich vereinbart werden, um wirksam zu sein.
Bei öffentlichen Bauvorhaben muss die VOB/B vereinbart werden, bei privaten Bauvorhaben kommt sie meist bei größeren Projekten zum Einsatz.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, ein Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet wird oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird.
Der Auftraggeber zahlt nur die geleisteten Arbeiten und keinen entgangenen Gewinn an den Auftragnehmer. Im Gegenteil, er kann sogar Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Restes verlangen.
Diese Möglichkeit für den Auftraggeber steht im Widerspruch zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO, wonach dieser allein entscheiden darf, ob ein Vertrag aufgelöst wird oder nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jedoch entschieden, dass das Kündigungsrecht des Auftraggebers nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B Bestand hat und das Interesse des Auftraggebers, sich vom Vertrag zu lösen, dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters vorgeht.
Kündigung des Bau- oder Werkvertrages nach § 648 a BGB
Bei kleineren Bauvorhaben und insbesondere Verbraucherbauverträgen (hierzu mehr unter: Der Verbraucherbauvertrag - eine Einführung) wird heutzutage die VOB/B meist nicht mehr vereinbart, der Vertrag richtete sich ausschließlich nach den Regelungen des BGB.
Dort fehlt für den Auftraggeber eine eindeutige Kündigungsmöglichkeit wegen der Insolvenz des Auftragnehmers.
Aber es kommt eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648 a BGB in Betracht. Vorteil der Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass der Auftraggeber nur die geleisteten Arbeiten zahlt und keinen entgangenen Gewinn.
Ein wichtiger Grund liegt vor,
wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
Ob dies bei der konkreten Insolvenz der Fall ist, ist Tatfrage und sollte von Fachleuten gründlich geprüft werden.
Auch deshalb, weil eine Kündigung aus wichtigem Grund in eine freie Kündigung umgedeutet würde.
Wie sich vor einer Insolvenz eines Bauunternehmens schützen?
Einen vollständigen Schutz gegen die Insolvenz eines Unternehmens gibt es nicht. Das zeigen gerade die spektakulären Fälle wie die Insolvenz der Project Immobilien (PI) aus Nürnberg oder der Helma Eigenheimbau AG.
Um das Risiko einer Insolvenz eines Bauunternehmens zu minimieren, sollte man vor der Vergabe eines Bauauftrags die Bonität und die Referenzen des Bauunternehmens prüfen.
Außerdem sollte man darauf achten, dass der Bauvertrag klare Regelungen über die Leistungsbeschreibung, die Vergütung, die Zahlungsbedingungen, die Sicherheiten, die Gewährleistung und die Haftung enthält. Um sich vor einem Zahlungsausfall zu schützen, sollte man möglichst keine Vorauszahlungen leisten, sondern nur nach erbrachter Leistung zahlen.
Zudem sollte man sich eine Bürgschaft oder eine Vertragserfüllungssicherheit von dem Bauunternehmen geben lassen, die im Falle einer Insolvenz greift. Schließlich sollte man die Bauleistung regelmäßig überwachen und dokumentieren, um bei Mängeln oder Verzögerungen rechtzeitig reagieren zu können.
Insolvenzrisiko Bauunternehmen - Fazit
Die Insolvenz eines Bauunternehmens kann für den Auftraggeber zu erheblichen finanziellen und zeitlichen Verlusten führen.
Je nachdem, ob der Bauvertrag nach der VOB/B oder nach dem BGB geschlossen wurde, ergeben sich unterschiedliche Rechte und Pflichten für den Auftraggeber und den Auftragnehmer.
Der Auftraggeber sollte daher vor der Vergabe eines Bauauftrags die Bonität und die Referenzen des Bauunternehmens prüfen, einen klaren und fairen Bauvertrag abschließen, keine Vorauszahlungen leisten, sich Sicherheiten geben lassen und die Bauleistung überwachen und dokumentieren.
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