Neues Baurecht - Teil 4
Liebert & Röth: Baurecht für Berlin & Bundesweit
Änderungen in der kaufrechtlichen Mängelhaftung
Wie bereits im ersten Aufsatz ausgeführt, war eine Divergenz zwischen der Rechtsprechung des BGH (Parkettstäbefall) und der Rechtsprechung des EuGH (Bodenfliesenfall) einer der wesentlichen Gründe für das gesamte Reformvorhaben.
Bisherige Problemstellung
Seit der sogenannten „Dachziegelentscheidung“ des BGH aus dem Jahre 1983 galt, dass der Käufer vom Verkäufer nach einem wirksam erklärten Rücktritt die Kosten für den Abbau beziehungsweise Ausbau eines mangelhaften Kaufgegenstandes und den Einbau eines mangelfreien Äquivalents verlangen konnte. In dieser Entscheidung ging es um den Ausbau der bereits verlegten aber mangelhaften Dachziegel und den Einbau neuer, mangelfreier Dachziegel. Der BGH hat das Erfüllungsinteresse des Käufers entsprechend gewürdigt und eine weitgehende, schuldunabhängige Rücknahmeverpflichtung des Verkäufers übereinstimmend mit seinem Rücknahmerecht geschaffen.
Im Jahre 2008 änderte der BGH allerdings mit der sogenannten „Parkettstäbeentscheidung“ die Rechtsprechung dahingehend, dass der Käufer im Zuge der Nacherfüllung nur noch den Ersatz der Kosten für die Lieferung des mangelhaften Produkts (in diesem Fall Parkettstäbe) verlangen kann. Zum Ersatz darüber hinausgehender Kosten, insbesondere für den Ein- und Ausbau der mangelhaften Kaufsache, sollte der Verkäufer nur noch verpflichtet sein, wenn die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB vorliegen. Im Ergebnis ist hierfür praktisch immer ein Verschulden des Verkäufers erforderlich. Der Käufer müsste z.B. nachweisen, dass der Verkäufer die Mangelhaftigkeit der Kaufsache kannte.
Kurz darauf wurde ein weiterer Fall, in dem es um den Einbau mangelhafter Bodenfliesen ging, dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Dieser widersprach in seiner „Bodenfliesenentscheidung“ aus dem Jahre 2011 dem BGH und entschied, dass die Regelungen des § 439 BGB bei Geschäften mit Verbrauchern im Lichte der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) ausgelegt werden muss. Nach dem EuGH hat der Verkäufer demnach wiederum die Ein- und Ausbaukosten zu tragen.
Der BGH ist dieser Entscheidung des EuGH gefolgt, allerdings nur soweit es sich um Verbrauchsgüterkaufverträge handelt. Für Kaufverträge zwischen Unternehmern entschied der BGH stattdessen, dass der Verkäufer weiterhin nur bei Vorliegen der Voraussetzungen eines (verschuldensabhängigen) Schadensersatzanspruches entstandene Ein- und Ausbaukosten bei dem Käufer einzustehen hat.
Handlungsbedarf nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers
Diese unterschiedliche Handhabung zwischen Unternehmerkaufverträgen (B2B) und andererseits Verbraucherkaufverträgen (B2C) wurde als problematisch angesehen.
Der Zwischenhändler, der an Verbraucher verkauft, ist nach der aktuellen Rechtsprechung zum Ersatz der Ein- und Ausbaukosten verpflichtet, kann sich diese aber nicht von seinem Verkäufer innerhalb einer Lieferkette wiederholen. §§ 478 ff. BGB würden nämlich für den Erstattungsanspruch des Verkäufers gegenüber seinem Lieferanten regelmäßig voraussetzen, dass dieser die Mangelhaftigkeit der Sache zu vertreten hat, somit also wieder an dieser Stelle wieder ein Verschulden des Lieferanten nachzuweisen ist.
Ganz besonders problematisch ist die Regelung für Werkunternehmer (Bauunternehmer, Handwerker), die mangelhaftes Baumaterial bei ihrem Lieferanten einkaufen und dies in Unkenntnis des Mangels bei Dritten verbauen. Nach den Bestimmungen des Werkvertrages ist der Werkunternehmer zum Ausbau des mangelhaften und zum Einbau eines mangelfreien Baumaterials verpflichtet. Von seinem Verkäufer kann der Werkunternehmer dagegen nach der bisher geltenden Rechtsprechung nur die Neulieferung, bzw. den Ersatz der Kosten für eine neue Lieferung, verlangen.
Neuer gesetzlicher Erstattungsanspruch für Ein- und Ausbaukosten
In § 439 BGB wird ein neuer Absatz 3 eingeführt, der den Nacherfüllungsanspruch des Käufers ausdrücklich dahingehend erweitert, dass der Verkäufer zukünftig verpflichtet ist den erforderlichen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder nachgelieferten mangelfreien Sache vorzunehmen oder dem Käufer hierfür die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen (§ 439 Abs. 3 BGB n.F.).
Die Erweiterung des Nacherfüllungsanspruchs soll ausdrücklich auch für Verträge zwischen Unternehmern gelten.
Voraussetzung für die Erstattungspflicht der Ein- und Ausbaukosten ist, dass die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck eingebaut worden ist und der Käufer zum Zeitpunkt des Einbaus keine Kenntnis von dem Mangel hatte bzw. nicht grob fahrlässig in Unkenntnis hierüber war.
Der Anspruch ist bei den letzten Verhandlungen im Februar 2017 sogar nochmals erweitert worden. Der Verkäufer muss auch dann Ersatz leisten, wenn das schadhafte Produkt an eine andere Sache „angebracht“ (nicht nur eingebaut!) worden ist. Damit dürfte der Anwendungsbereich der Regelung nochmals deutlich erweitert worden sein. So dürfte etwa der Maler, der mangelhafte Farbe verwendet hat, die Kosten für die Beseitigung der alten und das Anbringen der neuen Lackierung von seinem Lieferanten verlangen können
Flankierende Regelungen im AGB-Recht
Ein Abbedingen des erweiterten Nacherfüllungsanspruchs im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen soll in Zukunft gem. § 309 Nr. 8 b) cc) BGB unwirksam sein.
Zwar finden die Klauselverbote nach §§ 308, 309 BGB bekanntlich nicht unmittelbar Anwendung auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr, jedoch unterliegen auch Allgemeine Geschäftsbedingungen zwischen Unternehmen einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
Die Gesetzesbegründung weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass eine Klausel, die bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter die gesetzlichen Verbote des § 309 BGB fällt, nach ständiger Rechtsprechung des BGH regelmäßig ein wichtiges Indiz dafür darstellt, dass sie auch im Fall der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führen und daher als unwirksam angesehen werden kann.
Damit dürfte auch die Möglichkeit für den Verkäufer entzogen worden sein, durch eine entsprechende Regelung in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Erstattungsanspruch zu entkommen.
Ausweitung der Regressvorschriften innerhalb der Lieferkette
Neue Regressvorschriften sollen es dem Verkäufer ermöglichen als Ausgleich für die erweiterte Mängelhaftung, der er selbst unterliegt, sich wiederum gegenüber seinem Lieferanten schadlos halten zu können. Zur Erreichung diese Ziels werden die neuen Vorschriften §§ 445 a BGB und 445 b BGB in das Kaufrecht eingefügt.
Nach § 445 a BGB soll dem Verkäufer gegenüber seinem Lieferanten unmittelbar ein Anspruch auf Ersatz der Nacherfüllungsaufwendungen zustehen, die der Verkäufer im Verhältnis zum Käufer zu tragen hat, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits bei Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war. Diese Regelung entspricht der bisherigen Rechtslage nach § 478 Abs. 2 BGB beim Verkaufsgüterkauf.
Somit gibt es in Zukunft auch für die B2B-Verträge einen umfassenden Regress.
§ 445 b BGB statuiert in Zukunft für diese Fälle eine eigenständige Verjährungsregel für den Regressanspruch. Nach § 445 b Abs. 1 BGB werden die in § 445 a BGB statuierten Aufwendungsersatzansprüche in zwei Jahren ab Lieferung der Sache verjähren. Allerdings sieht § 445 b Abs. 2 BGB eine spezielle Ablaufhemmung von mindestens zwei Monaten bis maximal fünf Jahren vor.
Die neuen Regelungen werden insbesondere die Rechte von Handwerkern und Bauunternehmern innerhalb der Leistungsketten deutlich stärken. Wie die aus der Rechtsprechung bekannten Fälle zu Dachziegeln, Parkettstäben und Bodenfliesen zeigen, sind die Ein- und Ausbaukosten mangelhafter Produkte oft deutlich höher als die eigentlichen Materialkosten. Diese zusätzlichen Kosten können sich die Handwerker und Bauunternehmer in Zukunft bei ihren Lieferanten wiederholen. Die neue Regelung zur Verjährung berücksichtigt die längeren Verjährungsfristen bei Werkverträgen und Bauverträgen.
Zu beachten ist noch, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (der BGH dürfte sich hier angeschlossen haben) eine Unverhältnismäßigkeit einer Mangelbeseitigung nicht schon dann vorliegt, wenn die Materialkosten und die Umbaukosten außer Verhältnis stehen. Der Verkäufer kann sich lediglich mit einer Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigungsmaßnahme wehren, wenn die Kosten außer Verhältnis stehen zu alternativen, gleichwertigen Maßnahmen.
Zu beachten ist aber weiterhin, dass die Rechte lediglich für neue Produkte gelten.
Nicht unterschätzt werden darf im Übrigen die Wirkung des § 377 HGB.
§ 445 a Abs. 4 BGB stellt klar, dass § 377 HGB unberührt bleibt, also auch beim Rückgriff des Verkäufers bei seinem Lieferanten Anwendung findet. Zwischenhändler wie Bauunternehmer und Handwerker firmieren häufig als GmbH oder Aktiengesellschaft. Damit liegt beim Einkauf vom Großhändler meist ein Handelskauf vor. Die gelieferten Produkte müssen unverzüglich auf Mängel untersucht und gegebenenfalls vorhandene Mängel sofort gerügt werden. Wird eine Untersuchung nicht durchgeführt und eine Rüge nicht erhoben, dann verliert der Käufer auch weiterhin seine Ansprüche gegen den Verkäufer.
Stichtag für Neuregelung ist der 1. Januar 2018
Die gesamte Baurechtsreform gilt für Verträge, die ab dem 01.01.2018 geschlossen werden. Unsicherheiten dürfte es bei den in der Baubranche nicht unüblichen Rahmenverträgen geben, sei es bei der Lieferung von Materialien, oder aber auch bei der schrittweisen Beauftragung von Architekten. Hier dürfte es sinnvoll sein, dass die Vertragsparteien ausdrücklich vereinbaren, welches Recht gelten soll.
Verbindliche Baurechtskammern
Auch das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) wird reformiert. Nach § 72 a GVG bzw. § 119 a GVG sind in Zukunft an den Landgerichten und Oberlandesgerichten Spezialkammern bzw. Spezialsenate für „Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen, sowie aus Ingenieursverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen“, einzurichten.
Den Praktiker freut es. Bauverträge, die VOB/B und die HOAI sind üblicherweise nicht Teil der juristischen Ausbildung. Vor allem die Qualität der erstinstanzlichen Entscheidungen am Landgericht wird durch die Bildung von Spezialkammern hoffentlich verbessert.
Eine kleine Haftungsfalle verbirgt sich in Zukunft in § 71 GVG.
Für Streitigkeiten über das Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650 b BGB und über die Höhe des Vergütungsanspruchs in Folge einer Anordnung des Bestellers (§ 650 c BGB) sind nach § 71 Abs. 2 Nr. 5 BGB (n.F.) in Zukunft ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich die Landgerichte zuständig.
Der Artikel ist im November 2017 ursprünglich im Berliner Anwaltsblatt erschienen.
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