Der Verbraucherbauvertrag - eine Einführung
Liebert & Röth Rechtsanwälte: Baurecht für Berlin & Bundesweit
Nach fünf Jahren praktischer Erfahrung mit dem Verbraucherbauvertrag ist es an der Zeit, eine Bilanz des erreichten Verbraucherschutzes zu ziehen und einen Ausblick zu wagen, was ergänzend zwischen den Parteien vertraglich geregelt werden sollte.
Mit Urteil vom 16.03.2023 hat der Bundesgerichtshof einen wichtigen Streit in der Rechtsprechung entschieden. Zur Frage, ob die Beauftragung nur eines Gewerks einen Verbraucherbauvertrag begründen kann, finden Sie hier Ausführungen.
Hintergrund
Vor 2018 gab es im deutschen Baurecht faktisch keinen wirksamen Verbraucherschutz.
Dies führte zu dem kuriosen Ergebnis, dass ein Verbraucher beim Kauf einer Jeans im Internet rechtlich besser geschützt war als beim Bau eines Einfamilienhauses. Und das obwohl die Investitionen für ein Haus wesentlich höher sind und ein solches Bauvorhaben typischerweise nur einmal pro Generation in Angriff genommen wird.
Der Wissensstand der Verbraucher über solche Geschäfte ist daher deutlich geringer und das Wissensgefälle zwischen dem Verbraucher auf der einen Seite und seinen Vertragspartnern (Bauunternehmen, Fertighaushersteller, Architekten etc.) auf der anderen Seite enorm.
Zum 1.1.2018 hat der Gesetzgeber das Bauvertragsrecht insgesamt reformiert (hier finden Sie die Grundlagen der Baurechtsreform) und dabei einen eigenen Vertragstyp neu geschaffen, den Verbraucherbauvertrag (mehr zu den gesetzlichen Grundlagen des Verbraucherbauvertrag).
Was ist ein Verbraucherbauvertrag
Der Gesetzgeber hat in § 650i BGB den Verbraucherbauvertrag wie folgt definiert:
Verbraucherbauverträge sind Verträge, mit denen Unternehmer von Verbrauchern zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet werden.
Verbraucher ist eine natürliche Person, die den Bauvertrag nicht im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit, sondern zu privaten Zwecken abschließt (vgl. § 13 BGB).
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen neben Neubauten nur erhebliche Umbaumaßnahmen unter die Neuregelung fallen, wie etwa ein kompletter Neubau hinter einer wieder verwendeten historischen Fassade. Nicht ausreichend soll zum Beispiel der Anbau eines Wintergartens an ein bestehendes Haus sein. Das wäre weiterhin ein normaler Werkertrag, die zusätzlichen Regelungen des Verbraucherbauvertrags würden nicht gelten. Typischer Anwendungsbereich des Verbraucherbauvertrags ist damit der Neubau eines Einfamilienhauses.
Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH VII ZR 94/22, Urteil vom 16.03.2023) war umstritten, ob die Beauftragung einzelner Gewerke ausreichen kann, um einen Bauvertrag als Verbraucherbauvertrag zu qualifizieren.
Demnach liegt kein Verbraucherbauvertrag vor, wenn beim privaten Hausbau nicht ein Generalunternehmer mit der Errichtung des gesamten Hauses beauftragt wird, sondern jeweils einzelne Handwerks- oder Bauunternehmen. Die Oberlandesgerichte hatten diese Frage unterschiedlich beantwortet. Die Frage war vor allem deshalb von Bedeutung, weil der Unternehmer bei einem Verbraucherbauvertrag keine Bauhandwerkersicherheit verlangen kann (vgl. § 650f Abs. 6 Nr. 2 Alt. 1 BGB). Dieser Streit dürfte nunmehr geklärt sein.
Vertragspartner sind die klassischen Bauunternehmer, sowie die Anbieter von Fertighäusern (z.B. Bien-Zenker, Hanse Haus, FischerHaus, Haas Fertigbau, Kampa, ScanHouse Marlow, SchwörerHaus, Streif-Haus, WeberHaus, Haas Fertigbau, Streif Haus, etc.) und die Anbieter von Massivhäusern (z.B. Massivhaus, Town & Country Haus, Baumeister Haus, Viebrockhaus, ARGE-HAUS, HELMA Eigenheimbau, Kern-Haus, Heinz von Heiden).
Anders ist die Situation übrigens, wenn das Unternehmen auf eigenem Grundstück baut und z.B. Reihenhäuser oder Eigentümer bereits in der Planungs- oder Ausführungsphase verkauft. Dann spricht man von einem Bauträger oder einem Bauträgervertrag (mehr zum Bauträgervertrag finden Sie auf unserer Themenseite Bauträgerrecht)
Schutz durch den Verbraucherbauvertrag
Liegt ein Verbraucherbauvertrag vor, ergeben sich aus dem Gesetz eine Reihe verbraucherschützender Regelungen. Die wichtigsten sind:
Informationspflichten des Unternehmers vor Vertragsschluss
Zum Schutz des Verbrauchers treffen den Unternehmer besondere Informationspflichten. Vor Vertragsschluss muss der Unternehmer dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung stellen. Nach Art. 249 EGBGB hat der Unternehmer dem Verbraucher die Baubeschreibung rechtzeitig, d.h. deutlich vor Vertragsschluss, zur Verfügung zu stellen (mehr zum Mindestinhalt der Baubeschreibung beim Verbrauchervertrag).
Soweit die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist, ist der Vertrag unter Berücksichtigung aller vertragsbegleitenden Umstände, insbesondere des Komfort- und Qualitätsstandards nach der übrigen Leistungsbeschreibung auszulegen.
Formvorschrift
Der Verbraucherbauvertrag muss wenigstens in elektronischer Form (vgl. § 126b BGB) abgeschlossen werden. Eine mündliche Absprache reicht daher nicht, E-Mail oder Fax oder auch ein PDF reichen dagegen aus.
Fertigstellungszeitpunkt
Der Verbraucherbauvertrag muss auch verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Bauwerks oder, wenn dieser Zeitpunkt zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bauvertrags nicht angegeben werden kann, wenigstens zur Dauer der Bauausführung enthalten.
Enthält der Verbraucherbauvertrag hierzu keine Angaben, werden die vorvertraglich in der Baubeschreibung übermittelten Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Werks oder zur Dauer der Bauausführung Inhalt des Vertrags
Erstellen von Planungsunterlagen
Rechtzeitig vor Beginn der Ausführung einer geschuldeten Leistung hat der Unternehmer diejenigen Planungsunterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt werden wird.
Widerrufsrecht des Verbrauchers
Dem Verbraucher steht ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Der Unternehmer ist verpflichtet, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren. Die Widerrufsfrist beginnt erst mit einer ordnungsgemäßen Belehrung zu laufen. Sie endet spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen. Mit anderen Worten, belehrt der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsmäßig, hat der Verbraucher ein Jahr und zwei Wochen Zeit, den Verbraucherbauvertrag noch zu widerrufen.
Beschränkung von Abschlagszahlungen
Die Abschlagszahlungen, die der Unternehmer verlangen kann, sind im Verbraucherbauvertrag auf 90 Prozent des im Verbraucherbauvertrag vereinbarten Preis begrenzt. Abschlagszahlungen sind Zahlungen, die der Unternehmer nach Baufortschritt verlangen darf. Er darf also jeweils für das, was bereits gebaut wurde jeweils über eine Zwischenrechnung eine Zahlung fordern.
Das gilt grundsätzlich im gesamten Baurecht. Im Verbraucherbauvertrag dürfen diese Abschläge aber insgesamt nicht mehr als 90 Prozent des Gesamtpreises umfassen.
Sicherheitsleistung für rechtzeitige und mangelfrei Herstellung
Der Verbraucher hat Anspruch auf eine Sicherheitsleistung für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentliche Mängel in Höhe von fünf Prozent des Werkslohns durch den Unternehmer.
Der Unternehmer hat ein Wahlrecht, ob er diese Sicherheit als Einbehalt vom ersten Abschlag gewährt (der Verbraucher zahlt also bei der ersten Rate 5 Prozent weniger vom gesamten Werklohn) oder mit einer Bürgschaft leisten will (dann muss der Unternehmer dem Verbraucher eine entsprechende Bürgschaftsurkunde aushändigen).
Sicherheiten zugunsten des Bauunternehmers
Der gesetzliche Anspruch auf Sicherheit für den Werklohn ist im Verbraucherbauvertrag ausgeschlossen. Der Unternehmer kann aber auf eine entsprechende Regelung im Vertrag hinwirken. Die neue Regelung zieht hier Grenzen; bis zu 100 Prozent des Werklohnes sind nur dann absicherbar, wenn keine Abschlagszahlungen verlangt werden.
Erstellen von Planungsunterlagen
Rechtzeitig vor Beginn der Ausführung einer geschuldeten Leistung hat der Unternehmer diejenigen Planungsunterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt werden wird (es sei denn der Verbraucher hat selbst den Planer beauftragt).
Herausgabe von Bauunterlagen
Bei einem Verbraucherbauvertrag ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher bestimmte Unterlagen zu übergeben, die dieser zur Vorlage bei Behörden oder Kreditinstituten benötigt.
Der Unternehmer hat dem Verbraucher vor Baubeginn die Planungsunterlagen zu übergeben, die für den Nachweis erforderlich sind, dass das Bauvorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Damit soll der Verbraucher auch in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften während der Bauphase durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen.
Spätestens bei Fertigstellung kann der Verbraucher die Unterlagen verlangen, die er benötigt, um nachweisen zu können, dass das Bauvorhaben tatsächlich entsprechend den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt worden ist. Die Pflicht zur Herausgabe der Bauunterlagen besteht auch dann, wenn ein Dritter, z.B. die Bank, entsprechende Nachweise verlangt (mehr zum Unterlagenherstellungs- und –herausgabeanspruch).
Keine Abweichungen zu Lasten des Verbrauchers
Von den vorgestellten Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers (§§ 650 h – 650 k BGB und § 650 n BGB) kann nicht zu Lasten der Verbraucher abgewichen werden. Diese Regelungen sind zwingendes Recht, egal was im Vertrag steht.
Nur von den Regelungen über Abschlagszahlungen (§ 632a und § 650m BGB) könnten die Vertragsparteien durch Individualvereinbarung abweichen. Da die Unternehmer aber in aller Regel den Verbrauchern vorformulierte Verträge vorlegen, findet hier zumindest eine Kontrolle über das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) statt.
Was der Gesetzgeber nicht geregelt hat
Durch die neue gesetzliche Regelung sind die Verbraucher im Rahmen eines Verbraucherbauvertrags relativ gut geschützt. Die Erfahrungen der ersten drei Jahre zeigen, dass sich die rechtliche Position der Häuslebauer gegenüber den Bauunternehmern deutlich verbessert hat.
Gleichwohl gibt es noch typische Probleme, an die man bei dem Abschluss eines Bauvertrages denken und -wenn möglich- vertraglich regeln sollte. Zwei dieser Problembereiche seien hier noch als Beispiel genannt.
Vertragsstrafe für verspätete Fertigstellung
Wie oben bereits dargestellt, muss der Verbraucherbauvertrag einen verbindlichen Fertigstellungszeitpunkt oder wenigstens eine verbindliche Bauzeit enthalten. Ist dieser Zeitpunkt oder der errechnete Zeitraum überschritten, schuldet der Unternehmer dem Verbraucher Schadensersatz für den Zeitraum des Verzugs.
Dieser Schadensersatzanspruch ist aber häufig schwierig zu berechnen und noch schwerer zu beweisen. Manchmal ist er, je nach den Lebensumständen des Verbrauchers, auch nicht ausreichend hoch, um ein echtes Druckmittel gegen den Unternehmer darzustellen.
Im professionellen Bereich werden daher meist Vertragsstrafen als Druckmittel und zur Pauschalisierung des Verzugsschadens vereinbart. Eine solche Vertragsstrafe zu Lasten des Unternehmers sollte auch ein Verbraucher versuchen zu verhandeln und in den Vertrag mit aufzunehmen.
Sicherheit für die Gewährleistungsphase
Nach der Abnahme hat der Verbraucher einen Anspruch auf Beseitigung von Mängeln für fünf Jahre. Das ist eine erfreulich lange Frist. Die Gewährleistungsphase von fünf Jahren ist aber auch gerechtfertigt, weil sich viele Baumängel tatsächlich erst nach einigen Jahren zeigen.
Die Gewähreistungsrechte nutzen dem Verbraucher aber nichts, wenn es den Vertragspartner des Verbraucherbauvertrages nicht mehr gibt (beispielsweise aufgrund einer Insolvenz) oder der Unternehmer nicht mehr erreichbar ist.
Im professionellen Baubetrieb werden deshalb sehr häufig für die Gewährleistungsphase sogenannte Gewährleistungssicherheiten (meist ein Einbehalt vom Werklohn oder eine Bürgschaft) vereinbart.
Auch als Verbraucher sollte man daran denken, mit dem Unternehmer eine derartige Sicherheit für die Gewährleistungsphase zu vereinbaren.
Fazit und Ausblick
Fünf Jahre nach Einführung des Verbraucherbauvertrages kann festgestellt werden, dass der Gesetzgeber sein Ziel, die Stellung und den Schutz des Verbrauchers im Baugeschäft zu verbessern, durchaus erreicht hat.
Das angesprochene Wissensgefälle besteht jedoch nach wie vor. Der Verbraucher verhandelt im Zweifel immer mit einem Gegenüber, das nicht nur in technischer, sondern auch in rechtlicher Hinsicht über einen erheblichen Wissensvorsprung verfügt. Dieses Ungleichgewicht kann auch der Gesetzgeber nicht ausgleichen.
Hinzu kommt, dass der Unternehmer in der Regel seine Vertragsformulare in die Verhandlung einbringt und unterschreiben lässt. Dies gibt dem Unternehmer eine erhebliche Gestaltungsmacht.
Noch immer werden uns Vertragsentwürfe zur Prüfung vorgelegt, die die inzwischen nicht mehr ganz neuen gesetzlichen Regelungen zum Verbraucherbauvertrag völlig ignorieren oder wichtige Rechte wie den Sicherheitseinbehalt in Höhe von fünf Prozent der Bausumme nicht erwähnen.
Mit anderen Worten: Der Verbraucher muss seine Rechte kennen, um sie durchsetzen zu können.
Hinzuziehung eines Bausachverständigen
Aus fachlicher Sicht ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen dringend anzuraten. Dieser sollte vor Vertragsabschluss die Ausführungsplanung prüfen, die Bauphase überwachen und vor allem bei der Abnahme die Qualität des Werkes auf Herz und Nieren prüfen. Im Rahmen der Gewährleistungsphase sollte der Sachverständige spätestens ein Jahr vor Ablauf der Gewährleistungsfrist nochmals mit einer Begehung beauftragt werden.
Rechtliche Beratung und Begleitung
Die gleiche Empfehlung wie für die technisch-praktischen Fragen gilt auch für die rechtlichen Aspekte. Lassen Sie sich vor Abschluss eines Verbraucherbauvertrages anwaltlich beraten und während der Bau- und Gewährleistungsphase anwaltlich vertreten.
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