Insolvenz des Bauträgers
Wir machen Bauträgerrecht in Berlin & bundesweit
Aktuell verunsichert die hohe Zahl von Bauträgerinsolvenzen viele Käufer. Insbesondere die Insolvenz der Nürnberger Unternehmensgruppe Projekt Immobilien (PI) mit einer Vielzahl von Bauvorhaben in Berlin und Brandenburg hat für großes Aufsehen gesorgt.
Vertiefende Informationen zum Bauträgervertrag finden Sie in unserer Einführung in das Bauträgerrecht.
Übersicht Insolvenzen von Bauträgern
Dieser Beitrag soll betroffenen Kunden eine erste Orientierung über die Rechtslage geben, wenn sie als Erwerber direkt über die Insolvenz ihres Bauträgers informiert werden oder aus der Presse davon erfahren.
Der Bauträgervertrag ist eine komplexe Rechtsmaterie, weil der Bauträger auf eigenem Grund und Boden baut und seinen Vertragspartnern (Käufern) verspricht, für diese nicht nur das Kaufobjekt (Eigentumswohnung, Reihenhaus, Reihenhaushälfte etc.) mangelfrei zu errichten, sondern nach der Bauphase dem Käufer auch das Eigentum an der von ihm gekauften Immobilie zu verschaffen.
Der Bauträgervertrag hat also eine kaufrechtliche Komponente (Kauf eines Grundstücksanteils) und eine baurechtliche Komponente. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen die Erwerber der Liegenschaft im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft miteinander verbunden sind. Somit ist üblicherweise auch das Wohnungseigentumsrecht mit zu beachten.
Auswirkungen der Insolvenz auf den Bauträgervertrag
Kommt es nun zu einer Insolvenz des Bauträgers, stellt sich zunächst die Frage, welche Auswirkungen dies auf die vertraglichen Verpflichtungen des Bauträgers gegenüber den Erwerbern hat. Die gute Nachricht ist zunächst, dass die Insolvenz des Bauträgers keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Fortbestand des Bauträgervertrages hat.
Die Abwicklung des Vertrages wird durch die Insolvenz natürlich nicht einfacher. Fortsetzung des Vertrages Zunächst ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter gemäß § 103 InsO ein Wahlrecht hat, ob er den Bauträgervertrag gegenüber den einzelnen Erwerbern fortführen will oder nicht.
Insolvenzverwalter will Vertrag erfüllen
Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für diese Option, kann der Erwerber nach wie vor auf die vollständige Erfüllung seines Vertrages hoffen. Durch die Bestellung des Insolvenzverwalters ist natürlich mit Verzögerungen zu rechnen.
Insolvenzverwalter wählt Nichterfüllung
Entscheidet sich der Insolvenzverwalter gegen die Fortsetzung des Bauträgervertrages, ist zwischen dem baurechtlichen und dem kaufrechtlichen Teil des Bauträgervertrages zu unterscheiden. Diese Option dürfte derzeit in den meisten Fällen in Betracht kommen. Denn aus Sicht des Insolvenzverwalters müsste sich die Fortführung der Baustelle rechnen, die explodierenden Baukosten und die stark gestiegenen Zinsen für Kredite (Refinanzierungskosten) sind gerade der Grund für die steigende Zahl der Insolvenzen von Bauträgergesellschaften).
Kaufrechtlicher Teil des Bauträgervertrages
Die Auflassungsvormerkung, die in der Regel für den Käufer im Grundbuch eingetragen wird, ist nach § 106 InsO insolvenzfest. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter insoweit nicht vom Bauträgervertrag zurücktreten kann. Ihm sind insoweit die Hände gebunden. Der Anspruch des Käufers auf Übereignung der Wohneinheit sowie eines Anteils am Grundstück ist geschützt.
Baurechtlicher Teil des Bauträgervertrages
Der Insolvenzverwalter kann jedoch sein Wahlrecht hinsichtlich des baurechtlichen Teils des Bauträgervertrages ausüben und diesen Teil des Bauträgervertrages nach §§ 103, 105 InsO kündigen. Das bedeutet, dass die von ihm verwaltete Bauträgergesellschaft nicht mehr zum Weiterbau verpflichtet ist. Durch die Ausübung dieser Option entsteht hinsichtlich des baurechtlichen Teils des Bauträgervertrages ein Abrechnungsverhältnis. In einem Abrechnungsverhältnis werden die gegenseitigen Ansprüche gegeneinander aufgerechnet.
Es muss also zunächst der Bautenstand festgestellt werden und der Insolvenzverwalter kann noch bestehende Vergütungsansprüche in die Abrechnung einbeziehen. Der Käufer kann in dieser Situation mit Gegenansprüchen aufrechnen.
Dies sind insbesondere:
- Ansprüche wegen Überzahlung
- Schadensersatzansprüche wegen Verzugs (der Bauträger hat das Bauwerk nicht in der versprochenen Zeit fertiggestellt)
- Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung
Mit diesen Positionen kann der Käufer gegen die Forderungen des Insolvenzverwalters aufrechnen. Ergibt sich aus der Aufstellung allerdings eine Überforderung des Käufers, so stellt diese letztlich nur eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO dar.
Mängel des Bauwerks
Soweit der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages verweigert, sind auch Mängelansprüche betroffen. Diese sind nach § 45 InsO mit ihrem Wert in die Auseinandersetzung einzustellen. Diese Ansprüche unterliegen jedoch nicht dem Schutz des § 106 InsO, da es sich um baurechtliche und nicht um kaufrechtliche Ansprüche handelt. Umso wichtiger ist es, den Bautenstand des Bauvorhabens sorgfältig zu dokumentieren, am besten mit Hilfe eines Sachverständigen.
Rechte des Käufers
Der Erwerber befindet sich im Falle der Insolvenz seines Bauträgers in einer schwierigen Situation und sollte sich dringend anwaltlich beraten lassen. Zwar kann der Käufer wegen des eingetretenen Verzuges in der Regel die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen (Rücktritt).
Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Anspruch auf Rückzahlung bereits geleisteter Raten sowie auf Ersatz von Notar- und Maklerkosten nicht nach § 106 InsO geschützt ist. Die Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch ist jedoch Voraussetzung für die Rückabwicklung des Bauträgervertrages.
Mit anderen Worten: Der Erwerber kann zwar die Rückabwicklung des Vertrages betreiben, ist dann aber hinsichtlich der von ihm gezahlten Raten schutzlos gestellt.
Die bis zur großen Baurechtsreform zum 01.01.2018 nach herrschender Meinung mögliche Teilkündigung des baurechtlichen Teils des Bauträgervertrages hinsichtlich der noch nicht erbrachten Leistungen ist nach überwiegender Auffassung in der Literatur aufgrund der Gesetzesänderung nicht mehr möglich. § 650o BGB schließt das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach §§ 648, 648a BGB für den Bauträgervertrag ausdrücklich aus.
Insofern sollte in dieser Situation unbedingt fachkundiger Rat eingeholt werden und es bleibt meist nichts anderes übrig, als mit dem Insolvenzverwalter zu verhandeln.
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