Augen auf beim Wohnungskauf
Dank Bauboom und hoher Wohnraum-Nachfrage kaufen immer mehr Menschen Eigentumswohnungen von Bauträgern. Die komplizierte Rechtslage erklärt Rechtsanwalt Martin Liebert für die Berliner Morgenpost.
Herr Liebert, was ist rechtlich besonders an Bauträger-Projekten?
Bei diesen Projekten bietet der Bauträger entweder noch zu bauende oder noch zu sanierende, bestehende Wohnungen zum Kauf an. Die notariellen Verträge werden zwar zumeist als Kaufvertrag bezeichnet, tatsächlich ist es aber komplizierter. Die Gerichte wenden auf derartige Konstruktionen nicht nur das Kaufrecht, sondern auch das Werkvertragsrecht mit an. Daneben ist auch die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) zu beachten. So darf der Bauträger bei neu zu bauenden Wohnungen nach der MaBV den "Kaufpreis" nur nach dem Baufortschritt in Raten und nicht etwa bei Abschluss des Vertrages vorab verlangen.
Aber die Verträge müssen doch ohnehin notariell beglaubigt werden.
Ja, und Notare sind gesetzlich zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet. Dennoch lässt sich bisweilen eine gewisse Nähe des Notars zum Bauträger feststellen. Oft verspricht der Bauträger dem Notar sämtliche Verträge mit den Käufern bei ihm zu beurkunden. Dadurch besteht die Gefahr, dass der für alle Käufer entworfene Mustervertrag zu sehr zu Gunsten des Bauträgers ausfällt.
Wie lässt sich das vermeiden?
Man sollte nicht nur den Vertragsentwurf, sondern auch die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung nochmals vom Anwalt seines Vertrauens überprüfen lassen. Denn der Bauträger hat bei einer neu zu gründenden Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) große Freiheiten, in der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung das Zusammenleben der späteren Eigentümer und das Sondernutzungsrecht für Garten und Kellerräume zu regeln. Der Bauträger setzt für die ersten drei Jahre den Verwalter ein. Auch hier lässt sich oft eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit der Verwalter vom Bauträger festzustellen. Häufig werden auch noch in den Kaufverträgen Klauseln verwendet, die die Rechtsprechung längst als unwirksam ansieht.
Was muss noch beachtet werden?
Mit dem Verkauf und der Eintragung des ersten Käufers ins Grundbuch entsteht auch die WEG. Sie muss sich aber zunächst organisieren, sich kennenlernen, es muss die ersten Eigentümerversammlungen geben. Dabei tickt die Uhr, um Baumängel am Gemeinschaftseigentum gegenüber dem Bauträger geltend zu machen. Zudem treffen die Neueigentümer häufig auf eine WEG-Verwaltung, die nicht unbedingt ein Interesse daran hat, dem Bauträger Schwierigkeiten zu bereiten. Denn der hat sie ja in Lohn und Brot gesetzt. Noch komplizierter wird es dadurch, dass bestimmte Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum nicht individuell von den Eigentümern, sondern nur von der Gemeinschaft als Ganzes geltend gemacht werden können. Die Rechte der einzelnen Käufer müssen dann zunächst durch Beschluss auf die Gemeinschaft übertragen werden.
Welche Besonderheiten gibt es bei Bestandswohnungen?
Oft werden Mietshäuser von einem Bauträger gekauft, in Eigentumswohnungen umgewandelt und mit dem Versprechen verkauft, zugleich Verbesserungen am Haus vorzunehmen. Zum Beispiel Aufzüge einzubauen, die Fassade energetisch zu sanieren, mehr Grün im Hof. Dabei wird übersehen, dass es sich auch hier im Kern um Bauträgergeschäfte handelt, bei denen teilweise ebenfalls die MaBV anzuwenden ist. Auch wenn die Wohnung bereits existiert, darf nicht ohne weiteres der gesamte Kaufpreis sofort mit Unterzeichnung des Kaufvertrages verlangt werden. Für die Umbauten gilt in der Regel eine fünfjährige Gewährleistungsfrist. Oft wird versucht, diese in den Verträgen ganz auszuschließen.
Was sollen Interessenten tun?
Kaufinteressenten kann ich nur raten, den Entwurf des Kaufvertrages, die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung vor dem Kauf gründlich vom eigenen Anwalt überprüfen zu lassen. Denn wer eine Eigentumswohnung erwirbt, ist dann auch an Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung gebunden. Außerdem sollte unbedingt vor dem Kauf ein Sachverständiger hinzu gezogen werden. Der sollte nicht nur die Wohnung, sondern auch das Gemeinschaftseigentum genau unter die Lupe nehmen. Oft stellt sich nach dem Kauf heraus, dass hinter der frisch gestrichenen Fassade erheblicher Sanierungsbedarf lauert. Ab Kauf und Eigentumsübergang ist der Wohnungseigentümer immer mit für diese Schäden verantwortlich und hat anteilig die Kosten der Sanierung zu tragen. Deshalb gilt: Augen auf beim Wohnungskauf!
Der Artikel ist 2016 ursprünglich in der Berliner Morgenpost erschienen.
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