Rechtsanwalt – Traumberuf oder Auslaufmodell?
Die 18. Berliner Konferenz der Europäischen Rechtsanwaltschaft am 9. November 2018
Zum 18. Mal hatte der Berliner Anwaltsverein zur Konferenz der Europäischen Rechtsanwaltschaften geladen. Am 9.11.2018 fand um 10–13:25 Uhr die Veranstaltung zum titelgebenden Thema im Haus der Europäischen Kommission, Vertretung in Deutschland, am Pariser Platz statt. Es nahmen gut 50 Leute aus 20 Nationen daran teil. Vorab hatte der Anwaltsverein an die teilnehmenden Länder einen Fragebogen versandt, um dessen Beantwortung zur Vorbereitung auf die Konferenz er bat. 16 Länder hatten dann Berichte an den BAV gesandt. Die Fragen beschäftigten sich mit der Entwicklung des Anwaltsberufs im Vergleich zu vor zehn Jahren. Der BAV wollte beispielsweise wissen, wie sich die Zahl der Anwälte im Vergleich zur Bevölkerung verändert habe, wie sich die Ausbildungszahlen entwickeln, welchen Anteil Männer und Frauen, Selbstständige und Angestellte im Anwaltsberuf haben und wie die Einkommenssituation sei.
Der Präsident, Kollege Freyschmidt, führte in das Thema zu Anfang ein. Er begrüßte auch die Anwaltsdelegationen aus nichteuropäischen Ländern, insbesondere dem weit entfernten Südkorea.
In das Thema führte dann Kollege Krümmel ein, der sich dem Thema rhetorisch und humoristisch gut zu nähern wusste, einen Ausflug in die deutsche Statistik machte, einen Unterthemenaufriss bot und am Schluss das Fazit zog, dass Anwälte weder Träumer noch Auslaufmodelle sind, und das Ganze in dem Rat an junge Leute kulminieren ließ (als Antwort auf die Frage, ob man Anwalt werden solle): „Das müssen Sie wirklich wollen.“
Danach gab Avvocato Dusi aus Mailand ein kurzes Statement zur Lage in Italien. 245.000 Avvocati gibt es dort. Das Image der Anwälte ist sehr schlecht. Die Rechtsanwaltskammer Mailand versucht Berufseinsteiger (besser) auf den Beruf vorzubereiten. Die Umsätze dürften im Gegensatz zu den vom Kollegen Krümmel erwähnten in Deutschland bei einem Drittel bis der Hälfte liegen. Ausdrücklich positiv betonte er die Innovationsfähigkeit am Beispiel der Digitalisierung. Im Anschluss problematisierte Kollege Freyschmidt das Problem der Landflucht in vielen europäischen Ländern. Die Kollegin Dohmann (Queens Counsel aus London) fragte noch mal nach, ob es wirklich stimme, dass der Gender Pay Gap in Deutschland bei 24 % liege. Kollege Freyschmidt wies darauf hin, dass auch der Anteil der Partnerinnen an Großkanzleien problematisch niedrig sei.
Die Kollegin Dohmann hielt dann eine kurze Philippika auf den Anwaltsberuf als Traumberuf, der zwangsläufig Begeisterung mit sich bringe, die man aber vorher schon haben solle. Dieser Beruf sei ein Privileg. Er könne Veränderungen herbeiführen und könne Konflikte lösen. Dies müsse in der Schule und Berufseinsteigern zwingend vermittelt werden. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer in Wien teilte mit, dass die Anwaltszahlen steigen würden und auch die Frauenquote ständig steige, auch wenn sie derzeit nur bei 23 % liege. Er fragte bei den Zuhörern nach, ob es auch bei ihnen ein Problem damit gebe Pflichtverteidiger für Strafverfahren zu finden. Dies konnten die anderen Länder nicht bestätigen.
Der Kollege aus Ankara, Professor Basa, führte aus, dass es eine Demokratie ohne Anwälte nicht geben könne. In der Türkei gebe es zurzeit 150.000 Anwälte und 75.000 Jurastudenten. Allerdings sei in der momentanen Situation der Beruf nicht zukunftsträchtig und Berufseinsteigern zu vermitteln. Er führte dann noch weiter zu dem Umgang mit der immer besser werdenden künstlichen Intelligenz aus, was bei Kollege Freyschmidt dazu führte, den dahinter steckenden Zwang zur Flexibilität herauszustreichen. Der Kollege aus Griechenland teilte mit, dass die Rechtsanwaltschaft in Griechenland eine sehr konservative sei und insbesondere das Verhältnis des Mandanten zum Anwalt ein äußerst intensives. Kollege Krümmel fragte dann bei den Südkoreanern nach, wie es dort um das Ausmaß des Legal Tech in der Justiz und bei Anwälten bestellt sei. Der koreanische Kollege führte aus, dass es ziemlich weit gediehen sei, allerdings nicht dazu führe, dass die Richter nun durch Maschinen als Subsumtionsautomaten ersetzt würden. Der Kollege aus Spanien replizierte darauf, dass die Digitalisierung bei den Gerichten in Spanien bereits durchgeführt worden sei und dass diese Beschleunigung der Verfahrenswege auch zu einer Abnahme an Qualität geführt habe und die Langsamkeit wiederentdeckt werden sollte, worum die Anwälte sich kümmern müssten. Nach einer Pause gab dann der Gastgeber, hier in Person des Herrn von Peter, einen Ausblick darüber, welche Anstrengungen die europäische Kommission in dieser Legislaturperiode unternimmt auf Feldern, die für Anwälte von Interesse sein könnten. Er gliederte dies in Planungen auf dem zivilrechtlichen sowie strafrechtlichen Feld und schlusskadenzend führte er zu Rahmensachen aus.
Kollege Freyschmidt bat im Anschluss die Vertreter osteuropäischer Länder um Auskünfte zu den gestellten Fragen. Der Vertreter Tschechiens teilte mit, dass die Anwälte dort alle eine Datenbox haben müssten und es für die Behörden den Zwang gebe, darüber zu kommunizieren, und für Anwälte die Wahl. Der Referent begegnete dieser Box äußerst skeptisch. Ähnlich äußerte sich der Kollege aus der Slowakei, die auch diese Boxen hat, und er beschrieb wie die Anwälte durch vom Staat vorgegebene Formulare und Vorlagen immer mehr zu Ausfüllbürokraten verkommen. Dort setzte auch Avvocato Dusi an und gab zu bedenken, dass die Digitalisierung bereits „Geschichte“ sei, sondern es jetzt nicht nur um die Digitalisierung, sondern um den Einsatz von künstlicher Intelligenz gehe, bei deren Einsatz man höchst vorsichtig sein solle. Er teilte mit, dass es eine Veranstaltung der Anwaltskammer Mailand geben werde, in welcher konkret der Einsatz der künstlichen Intelligenz auf Fälle des Rechtsanwaltes über eine Woche ausprobiert werde.
Der Kollege aus Rumänien gab zu bedenken, dass in seinem Land 40 % der Anwälte eher nicht zufrieden sind mit dem Beruf und dass es seiner Ansicht nach daran mangele, für diesen Beruf bereits Grundlagen in der Schule zu legen, nämlich durch verstärkten Unterricht über das Recht in der Schule. Der Vertreter aus Luxemburg betonte das Positive und Negative der beschleunigten Technisierung des Berufes. Der Vertreter aus Polen teilt mit, dass man in Polen eher im Familien- und Privatrahmen Hilfe suche, als zum Anwalt zu gehen, und – dies wurde auch von anderen Ländern geteilt – bei schlechten finanziellen Verhältnissen der Gang zum Anwalt noch viel weniger gesucht werde. Kroatien teilte mit, dass das Verhältnis dort, was die Geschlechter anbelangt, bei Anwälten zwei Drittel Männer zu einem Drittel Frauen sei und dann wurde über das bis vor Kurzem völlige Verbot von Werbung gesprochen, dass sich jetzt jedoch geändert hat. Der Beitrag forderte dazu auf, das Ergreifen des Berufes des Anwaltes nicht wie üblich als ultima ratio anzusehen, sondern als Berufung. Kollege Freyschmidt fragte nach, wie es denn nun um die Kanzleiszene in London bestellt sei (Brexit). Frau Dohmann teilte mit, dass sehr viel los sei und dass Hunderte von Kollegen sich mittlerweile um Staatsbürgerschaften in Ländern der EU kümmern würden. Sie führte auch aus, dass die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in London immer weniger werde, was auch damit zusammenhänge, dass oft kein Visum mehr ausgestellt würde für die Teilnehmer.
Am Ende bedankte sich der Vorsitzende des BAV, Kollege Freyschmidt, bei allen Beteiligten.
Fazit
Auch dieses Jahr eine gelungene Veranstaltung. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie die Probleme in den verschiedenen Ländern Europas und auch außerhalb doch ähnlich sind, aber ganz anders damit umgegangen wird.
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