Reiner Geulen: Jenseits der Hoffnung
Die unumkehrbare Vernichtung des Lebens und der Abgesang der deutschen Philosophie
Lesetipp von Thomas Röth
Verlag Vorwerk 8, 1. Auflage 2019, 198 Seiten, Taschenbuch, 19 Euro, ISBN 978-3-947238-14-9
„Es ist ‚fünf nach zwölf‘“
Im BAB 11/2019 wurden zum ersten Mal Kolleginnen und Kollegen vorgestellt, die nicht nur Schriftsätze verfassen, sondern sich auch im weitesten Sinne literarisch betätigen (S. 429 und 430). Daran anknüpfend wird im Folgenden das Sachbuch „Jenseits der Hoffnung. Die unumkehrbare Vernichtung des Lebens und der Abgesang der deutschen Philosophie“ von Rechtsanwalt Dr. Reiner Geulen besprochen.
Der Kollege Reiner Geulen hat Ende letzten Jahres dieses interessante Buch veröffentlicht. Wie es der Untertitel schon sagt, beschäftigt sich der Kollege im ersten Teil mit der Vernichtung des Lebens, aufgeteilt in ein längeres Kapitel über die Spaltung des Atoms und den Nuklearkrieg, dann die thermische Zerstörung der Biosphäre und den Triumph der Vernichtung über die Evolution, indem er u. a. die Ausführungen des „technoiden“ Physikers Stephen Hawking gegen zum Beispiel Darwin setzt. Im zweiten Teil beschreibt und besucht er historische Stätten, nämlich den Trinity Point (einen Ort in der USA, indem Nuklearversuche vorgenommen wurden) und Tschernobyl.
Nach diesen sehr präzisen und sachlichen Beschreibungen der Nuklearversuche, der Empathielosigkeit insbesondere vieler Wissenschaftler über den Nuklearkrieg und der Beschreibung der ehemaligen Stätten nuklearer Experimente/Havarien widmet er sich nun der deutschen Philosophie und fragt sie, ob sie einen Betrag zum Verständnis der Jetztzeit mit möglichen angemessenen Verhaltensweisen hat. Im Großen und Ganzen stellt er der idealistischen Philosophie (Kant/Hegel/Heidegger/Sloterdijk) ein vernichtendes Zeugnis insoweit aus. Er befasst sich insbesondere mit Heidegger und Sloterdijk und stellt gegen diese Philosophie Friedrich Nietzsche und die Empathiefähigkeit (mit dem Leiden anderer Lebewesen) unter anderem des Buddhismus. Im vierten kurzen Teil nimmt er Bezug auf Friedrich Nietzsche sowie die Vertonung des Zarathustra von Mahler und endet mit folgenden Absätzen (auch im Bucheinschlag zu finden): „Die Reise unseres Lebens braucht keine Hoffnung, keine Götter und keine Galaxien. Wir haben nichts als die Erde, und wir brauchen nichts als die Erde. Die Spalter des Atoms, die Genien der Raumfahrt, wir haben sie durchschaut, und wir bekämpfen jeden, der diese Welt zerstört. Mit dem großen Albert Camus entscheiden wir uns für Ithaka.“
Und ganz zum Schluß von Albert Camus (aus L’homme révolté): „Wir entscheiden uns für Ithaka, die treue Erde, das kühne und einfache Denken, die klare Tat, die Großzügigkeit des wissenden Menschen. Im Lichte bleibt unsere Welt und erste und letzte Liebe.“ Dieses Zitat fasst den Inhalt der vier Teile zusammen. Der Kollege kann wunderbar anschaulich schreiben, zusammenfassen, darstellen. Die philosophischen Partien geraten hochspannend und bleiben immer anschaulich.
Was ein wenig fehlt ist der Bezug des Kollegen zu diesen Essays. Wie das Zitat verdeutlicht, ist es „fünf nach zwölf“ und es fehlt ein menschlich philosophisches Programm für den Umgang damit. Man hat den Eindruck, dass die Essays dieses Buches vielleicht noch diesseits der Hoffnung Antrieb für die umweltrechtlichen Kämpfe des Kollegen waren. Leider bleibt das Buch (außer den luziden, die Negativität der Naturwissenschaft und Philosophie betonenden Ausführungen), wenn es um die Suche nach Kriterien für eine gute Haltung jenseits der Hoffnung geht, im Ungefähren.
Lieber Kollege Geulen, vielen Dank für dieses tolle Buch. Wir suchen …
Thomas Röth, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie Strafrecht,
Mediator, Richter am Anwaltsgericht Berlin,
Rechtsanwaltssozietät Liebert & Röth, www.liebert-roeth.de