Welch eine Materialfülle
Rezension zum Buch „Ausgebürgert unter dem Hakenkreuz. Rassisch und politisch verfolgte Rechtsanwälte“ von Martin Schumacher
Das Buch ist im Jahre 2021 erschienen, hat gut 600 Seiten und kostet 39,00 €. Der Verfasser, Rechercheur und Herausgeber Martin Schumacher war selbst von 1980 bis 2007 Generalsekretär der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Themen dieses Buches sind die Ausbürgerung, das Entziehen von Doktorgraden an Universitäten und der Entzug der Berufslizenzen in der Zeit des Nationalsozialismus betreffend Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.
Das Buch beginnt zunächst mit einer Einleitung zur Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger nach 1933, fasst dann die Forschungen und die Quellen über die Ausbürgerung „jüdischer“ Rechtsanwälte (nebst Erklärung dieses problematischen Begriffes) zusammen, beschäftigt sich dann mit dem Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14.07.1933 und seiner Umsetzungspraxis. In einem weiteren Kapitel wird beschrieben, wie die Entziehung des Doktorgrades (auch und in Zusammenhang mit der Ausbürgerung) rechtlich und tatsächlich vollzogen wurde und listet die Fälle, geordnet nach den Universitäten, auf. Der erste Teil endet mit einem gelungenen, zusammenfassenden Fazit-Kapitel (Titel „Von Menschen, Rassenwahn und Listen“) und einem Anhang dazu, in welchem die Gesetze, Verordnungen, Erlasse und weitere Dokumente aufgeführt werden. Ebenso werden in diesem Anhang die Bürokraten und Diplomaten, die im Zusammenhang mit den Gesetzen, Verordnungen und deren Umsetzung wichtig waren, angeführt und zuletzt die Quellen und die Literatur mit Hinweisen zum zweiten Teil, der Dokumentation der Ausbürgerungsakten des Auswärtigen Amtes.
Der zweite Teil beginnt mit der biografischen Dokumentation (ab da neue Seitenzählung: Seite 1 bis 370). Im Kapitel I. Falldokumentation werden von Seite 3 bis Seite 160 ausführliche einzelne Fälle dargestellt und im Kapitel II. findet sich der kurze, aber wesentlich mehr Personen umfassende biografische Index (Seite 161 bis 347). Abgerundet wird das Ganze durch einen Personenindex und ein Abbildungsverzeichnis.
Insgesamt ist das Buch etwas verworren aufgebaut, man findet sich aber nach einiger Zeit ganz gut darin zurecht. Es ist eine unglaublich materialreiche Arbeit und insbesondere die Falldokumentation und der biografische Index lassen sich natürlich nicht flüssig hinweglesen, sondern dienen der Auswertung dieses bisher noch nicht umfassend rezipierten Materials, insbesondere unter dem Blickwinkel rassisch und politisch verfolgter Kolleginnen und Kollegen.
Die im ersten Teil ausgebreiteten Hinweise zur Gesetzgebung, zur Umsetzung in die Rechtspraxis und zur Systematik der Ausgrenzung und (beruflichen) Existenzvernichtung bestechen durch ihre Sachlichkeit und lassen dadurch die Ausweglosigkeit für die Betroffenen und die schnelle und systematische bürgerliche Existenzvernichtung seitens des Staatsapparates umso deutlicher hervortreten. Es finden sich auch für am Thema interessierte Kolleginnen und Kollegen hilfreiche Literaturhinweise und Abrisse der Forschung. Auch bitter Anekdotisches wird nicht ausgespart, so zum Beispiel in der Mitteilung, dass „der Inhalt der Giftschränke in den juristischen Seminarbibliotheken – bis 1945 bestückt mit Veröffentlichungen jüdischer Verfasser – nach 1945 ausgewechselt wurde. Dort war jetzt die belastende Literatur von Fachkollegen aus der NS-Zeit für Studierende nur noch mit einer Sondergenehmigung zugänglich.“ (Seite 120).
Fazit
Ein materialreiches Buch zum Thema der Verfolgung von Kolleginnen und Kollegen in der NS-Zeit.
Mehr zum Autor des Artikels Rechtsanwalt Thomas Röth finden Sie unter RA Thomas Röth.