Vor dem Anwaltsgericht: wann droht ein Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft und wie geht man damit um?
Vor Rechtskraft oder vor einer erstinstanzlichen Entscheidung auf die Rechte aus der Zulassung verzichten?
Allgemeines
Die Zulassung zur Anwaltschaft können Sie endgültig entweder über einen bestandskräftigen Bescheid der RAK oder über ein rechtskräftiges Ausschließungsurteil eines Berufsgerichtes verlieren (§ 13 BRAO). Die BRAO unterscheidet zwei mögliche Verfahren:
das verwaltungsrechtliche (RAK erlässt Bescheid- Klage zum Anwaltsgerichtshof-Berufung zum Anwaltssenat des BGH, §§ 112a ff., es gilt die VwGO neben der BRAO, § 112c BRAO)
das anwaltsgerichtliche Verfahren (RAK gibt Sache an die Generalstaatsanwaltschaft, die erhebt zum Anwaltsgericht eine Anschuldigung, Entscheidung des AnwG, Berufung zum AGH, Revision zum BGH, §§ 113 ff BRAO, es gilt neben der BRAO die StPO, § 116 BRAO).
Etwas Statistik
Professor Kilian gibt alle zwei Jahre ein „Statistisches Jahrbuch der Anwaltschaft“ heraus, zuletzt das für 2021/2022. Darin finden sich folgende Zahlen für die Berufsgerichtsbarkeit: im Jahre 2020 gab es folgende Neuzugänge bei den Berufsgerichten:
Anwaltssenat des BGH: 44 verwaltungsrechtliche und 13 anwaltsgerichtliche
AGHs: 230 insgesamt
AnwGe: 603 davon ca. 480 anwaltsgerichtliche Verfahren (also keine Rügeeverfahren)
2018 wurden von den Anwaltsgerichten in 49 Fällen eine Ausschließung (= Zulassungsentzug, s. § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) aus der Rechtsanwaltschaft verhängt.
Hier soll es um Strategien für das anwaltsgerichtliche Verfahren gehen, wenn der Zulassungsentzug droht.
Wann droht er?
Wenn Sie vor einem Anwaltsgericht in der Bundesrepublik Deutschland einen Kollegen/eine Kollegin verteidigen oder selbst vor so einem Gericht als Angeschuldigter stehen, dann merken Sie spätestens wenn die Anschuldigungsschrift im Zwischenverfahren Ihnen zugestellt wird und am Ende den Antrag enthält, dass dem angeschuldigten Rechtsanwalt ein Pflichtverteidiger bestellt werden möge, an diesem Antrag, dass die Generalstaatsanwaltschaft entweder ein Tätigkeitsverbot oder einen Ausschluss aus der Anwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BRAO, und für Berufsausübungsgesellschaften § 114 Abs. 2 Nr. 4 und 5 BRAO) für möglich hält. Das Gebot der Pflichtverteidigerbestellung ergibt sich aus §§ 116, 117 a BRAO iVm § 140 Absatz 2 StPO (Schwere der Tat bzw. Rechtsfolge) und eine Pflichtverteidigerbestellung soll beantragt werden, wenn die schwersten beiden Sanktionen in Betracht kommen.
Was für Folgen hat ein Ausschluss für eine spätere Neuerteilung?
- 7 Nr. 3 i.V.m. § 7 Satz 2 BRAO besagt, dass Sie nicht zur Anwaltschaft zugelassen werden können, wenn Sie bei Antragstellung durch ein rechtskräftiges Urteil aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen sind (Nr. 3), was gemäß § 7 Satz 2 BRAO nur gilt, wenn seit Rechtskraft der Entscheidung noch keine acht Jahre verstrichen sind. Das heißt: wenn Sie rechtskräftig von der Anwaltschaft ausgeschlossen werden, dann ist ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft für acht Jahre kein erfolgreicher Neuantrag möglich. Zu beachten ist, dass es sich bei diesen acht Jahren nur um eine Minimalfrist handelt, die Rechtsanwaltskammer eventuell auch nach Ablauf der acht Jahre einen Neuantrag zum Beispiel wegen Unwürdigkeit gemäß § 7 Nr. 5 BRAO ablehnen kann (s. § 7 Satz 3 BRAO). Der BGH geht bei Straftaten im Kernbereich der beruflichen Tätigkeit bzw. bei gravierenden Straftaten von 15 bis 20 Jahren als Frist für die Wiederzulassung aus.
Die o.a.Fristen gelten nicht für einen Widerruf der Zulassung durch die RAK wegen Vermögensverfalles(s. § 7 Nr. 9 BRAO, u.a. kein rechtskräftiger Ausschluss). Hier kann nach Wegfall des Widerrufsgrundes die sofortige Wiederzulassung erfolgen.
Verzicht auf die Zulassung als Möglichkeit dem Ausschluss zuvorzukommen?
Man könnte jetzt auf die Idee kommen dem Mandanten anzuraten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft der Rechtsanwaltskammer gegenüber schriftlich zu verzichten. Dies führt dazu, dass dann die Rechtsanwaltskammer aufgrund dieses schriftlichen Antrags die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen hat. Der bestandskräftige Bescheid ist dann der konstitutive Rechtsakt. Er kann durch einen Rechtsmittelverzicht des Anwaltes (noch) schneller herbeigeführt werden.
Was passiert bei bestandskräftigem Verzicht noch während des laufenden anwaltsgerichtlichen Verfahrens?
- 139 BRAO und dort der Absatz 3 sagt, dass das anwaltsgerichtliche Verfahren einzustellen ist, wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (oder die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft) erloschen ist.
Gemäß § 13 BRAO erlischt die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, wenn durch ein rechtskräftiges Urteil auf Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft erkannt ist oder wenn die Rücknahme oder der Widerruf der Zulassung bestandskräftig geworden ist.
Sollte also ein Widerrufsbescheid der Rechtsanwaltskammer wegen schriftlichen Verzichts vor rechtskräftiger Entscheidung bzw. sachlichem Abschluss des anwaltsgerichtlichen Verfahrens bestandskräftig geworden sein, ist das anwaltsgerichtliche Verfahren gemäß § 139 Abs. 3 Nr. 1 BRAO einzustellen.
- 139 Abs. 3 Nr. 1 BRAO ist im Zusammenhang mit § 206a StPO zu sehen, wonach bei Verfahrenshindernissen eine Einstellung des Verfahrens dem Gericht möglich ist. Bei der Einstellung durch die Anwaltsgerichtsbarkeit handelt es sich um eine Prozessentscheidung, die keinen Strafklageverbrauch nach sich zieht. Der Einstellungsbeschluss kann durch Beschluss wieder aufgehoben werden kann, wenn das Verfahrenshindernis nicht mehr besteht. Das Verfahren ist dann nach Wegfall des Hindernisses (also z.B. bei Neuzulassung) weiterzuführen und zwar genau von dort, wo es qua Beschluss eingestellt wurde. Das bedeutet also, dass die Generalstaatsanwaltschaft ein eingestelltes Ermittlungsverfahren weiterführen und das Anwaltsgericht/der Anwaltsgerichtshof oder der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs, sollte es jeweils dort eingestellt worden sein, es ebenfalls wieder fortsetzen können.
Verjährung
Dabei ist die Verjährung zu beachten. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 BRAO beträgt die Verfolgungsverjährung bei Pflichtverletzungen, die zum Ausschluss aus der Anwaltschaft führen, 20 Jahre von der letzten Pflichtverletzungshandlung an gerechnet. Gemäß Absatz 3 gelten die Vorschriften des StGB zur Unterbrechung und zur absoluten Verfolgungsverjährung. Sie tritt nach der doppelten einfachen Verjährung ein (bei Zulassungsentzug bis zu 40 Jahre Verjährungsfrist).
Für das Ermittlungsverfahren und ein erstinstanzliches Verfahren noch ohne Urteil vor bestandskräftigem Widerruf wegen Verzichtes auf die Zulassung müsste also geschaut werden, wie viel Zeit seit der vorgeworfenen Pflichtverletzungshandlung bis zur Neuerteilung der Zulassung ins Land gegangen ist und ob noch unverjährt.
Dies ist anders, wenn bereits ein erstinstanzliches anwaltsgerichtliches Urteil vorliegt. Dann verweist § 115 Abs. 2 BRAO auf § 76b Abs. 3 StGB. Der lautet: „Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.“ Das heißt: Wenn der Verzicht auf die Zulassung erst nach erstinstanzlichem anwaltsgerichtlichem Urteil und noch laufendem anwaltsgerichtlichen Verfahren bestandskräftig würde, wäre die gesamte Zeit bis zur Neubeantragung und zu einem dann qua Beschluss weitergeführten Verfahren bis zu einem rechtskräftigen Urteil gehemmt.
Ob das dann praktisch nach Jahren der Nichtzulassung und Neubeantragung so geschieht, ist offen. Es ist aber sicherlich zu bedenken, ob man den Verzicht auf die Zulassung nicht vor erstinstanzlicher Verurteilung bestandskräftig werden lässt oder ob man vor dem bestandskräftigen Verzicht bzw. statt des bestandskräftigen Verzichtes lieber auf die eventuell „nur“ acht Jahre spekuliert, die vielleicht dann kürzer sind als die o.a. „ewige“ Verjährungshemmung.
Offene Frage: Zusammenhang Anwaltsgerichtsbarkeit und RAK
Eine offene, oben bereits angedeutete Frage ist, ob bei Antrag auf Neuerteilung die Anwaltskammer eine Erteilung vorzunehmen hat, weil sie sich nicht auf das noch nicht rechtskräftig abgeschlossene anwaltsgerichtliche Ausschlussverfahren eben mangels Rechtskraft berufen kann und ihr der Umweg über die Unwürdigkeit verwehrt ist. Die Kommentarliteratur bleibt hier blaß. Zu erwägen wird sein, dass die RAK sich auf ihre Präventionspflichten wird berufen können. Jegliches Verhalten, das zu einem Ausschluss aus der Anwaltschaft führen könnte, soll von der RAK geprüft werden. Hier gibt es allerdings – so das Gegenargument- ein eigenes Verfahren, welches fortgeführt werden kann.
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