Praktische Probleme im Umgang mit beA
Die Nutzung des beA wirft immer wieder Fragen der Praxis auf. Hier einige wenige aus der Praxis des Unterzeichners.
Können denn die Re(No)Fas rechtlich gar nichts von ihrem jeweiligen Account an die Gerichte schicken, ohne dass es qualifiziert elektronisch vom Berufsträger signiert wird?
Manchmal wird im Gerichtsprozess zum Beispiel eine Anlage zwar im Schriftsatz erwähnt, aber nicht als PDF-Anlage der beA-Nachricht beigefügt. In solchen Fällen zum Beispiel wäre es doch erleichternd, wenn nicht mehr der Anwalt aus seinem beA-Postfach ein weiteres Schreiben ans Gericht mit der nachgereichten Anlage versenden müsste, sondern dies auch von den Mitarbeiter-beA-Accounts unkompliziert, ohne dass eine qualifizierte elektronische Signatur des Anwaltes nötig ist, geschehen könnte. Natürlich ist es möglich der ReFA den eigenen Zugang zu geben, rechtlich erlaubt ist es nicht.
Die entscheidende Norm hierfür dürfte § 130a III 2 ZPO (s.o.) sein.
Dazu Folgendes: Wenn es sich um Anlagen zu einem vorbereitenden Schriftsatz handelt, ist die Formvorschrift des § 130 a Abs. 3 Satz 1 nicht einzuhalten. Dort steht entweder die qeS oder signiert und auf sicherem Übermittlungswege zugestellt. Ein Schreiben, in welchem z.B. eine Anlage nachgereicht wird, kann also von dem Reno-Account an das Gericht übersandt werden. Die qeS ist wohl nur nötig, wenn es sich z.B. um eine Kündigung handelt.
Kündigungen bzw. Zurückweisung von Kündigungen durch den RA bzw. den Mandanten (nebst den Vollmachten des Mandanten) via beA?
Die Kündigung einiger Vertragstypen sieht nach dem deutschen Recht Schriftform vor (z.B. Kündigung des Wohnraummietvertrages und des Arbeitsvertrages). Weiter gibt es dann die wichtige Unterscheidung, ob die Kündigung in elektronischer Form ausgeschlossen ist (s. § 623 BGB letzter Halbsatz) oder eben nicht (s. § 568 BGB) und es sind die §§ 126-126b BGB wichtig:
A. Strukturen der Herangehensweise
Wenn der RA für den Mandanten kündigt, stellen sich für die Frage der Kündigung via beA viele Fragen, daher folgende Struktur:
- RA kündigt außergerichtlich
- RA kündigt im Gerichtsverfahren
- Das Ganze wird dann anhand einer Kündigung im Wohnraummiet- und Arbeitsrecht nebst Ausführungen zu § 174 BGB durchgespielt.
B. Außergerichtliche Vertretung
aa) Gegner ist nicht vertreten
Hier muss der RA für seinen Mandanten dem Gegner eine schriftliche Kündigung (ArbR) bzw. eine elektronische via beA (Wohnraummietrecht) zustellen. Im Arbeitsrecht kommt der RA um die Zustellung der original von ihm unterschriebenen Kündigung nicht herum. Im Mietrecht ist dies nur dann möglich, wenn der Gegner über ein beA-Postfach oder ein anderes verfügen würde und ihm unter Einhaltung der Vorschriften der §§ 126a und b BGB eine Kündigung mit dem Namen des Kündigungsaussprechenden eine lesbare Erklärung qualifiziert elektronisch signiert rechtssicher zugestellt werden kann. Das wird in den seltensten Fällen möglich sein. Also bleibt da häufig nur die Papierform. Wenn sowohl der Mandant als auch der Gegner rechtssicher sich elektronisch zustellen könnten, wäre eine Kündigung im Mietrecht vom Mandanten selbst dem Gegner zustellbar, dann bedarf es auch keiner Vollmacht.
Zustellung mit Vollmacht gem. § 174 BGB
Eine einseitige Willenserklärung (= Kündigung) muss eine den Kündigenden beiliegende Originalvollmacht (= mit Unterschrift des Bevollmächtigenden im Original) beigefügt sein, sonst kann sie gem. § 174 BGB unverzüglich vom Kündigungsempfänger deswegen zurückgewiesen werden und ist dann nicht heilbar durch nachträgliche Vorlage der Vollmacht, sondern es muss erneut unter Beachtung der Formvorschriften gekündigt werden. Sollte die Kündigung von einem RA zurückgewiesen werden, muss dies ebenfalls unverzüglich unter Vorlage einer Originalvollmacht geschehen, sonst gilt auch hier § 174 BGB (also für die Zurückweisung). Eine elektronische Form der Vorlage der Vollmacht ist bisher nicht vorgesehen (auch das am 17.07.2024 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz hat daran nichts geändert). Es muss also in der Regel neben der Originalkündigung auch eine Originalvollmacht des Mandanten an den RA dem Gegner zugestellt werden. Bitte auch aufpassen, was in der Vollmacht steht und ob sie überhaupt zur Kündigung (oder nur zu einer etc.) berechtigt. Eine andere Möglichkeit sich das Beilegen der Kündigung zu sparen ist
- dass der Vollmachtgeber den Dritten über die Bevollmächtigung in Kenntnis setzt
- dass ein Sich-Berufen auf die fehlende Vollmacht gegen Treu und Glauben verstößt, weil seit Jahren der Bevollmächtigte für den Vollmachtgeber handelt, ohne dass dies jemals gerügt worden wäre.
bb) Gegner ist vertreten
Im Arbeitsrecht muss außergerichtlich eine eigenhändig unterschriebene Kündigung vom RA zugestellt werden. Dies gilt auch wenn der Gegner vertreten ist. Eine Kündigung kann höchstens vorab per beA dem gegnerischen Kollegen zugestellt werden. Im Übrigen sollte dann die Kündigung im Original nebst Originalvollmacht rechtssicher per Einschreiben Einwurf, Gerichtsvollzieher, privaten Einwurf mit Zeugen etc. dem Gegner direkt zugestellt werden (unter Information des gegnerischen Kollegen, keine Umgehung gem. § 12 BORA), damit der gegnerische Kollege nicht die Kündigung ins Leere laufen lassen kann mit der Behauptung er sei dafür nicht mandatiert bzw. das Mandat sei vor Zugang beendet worden.
Im Mietrecht ist die Zustellung der Kündigung des RA via beA an den anderen RA möglich. Dann aber mit Namenshinweis, qualifizierter elektronischer Signatur und Zugangsnachweis durch beA (ein Anklicken des EB-Feldes ist nicht nötig, denn es gibt außergerichtlich keine Verpflichtung zur beA-Nutzung, also auch keine Pflicht ). Die Vollmacht des Mandanten auf den RA kann vorab beigefügt werden, muss aber zur Verhinderung der Gefahr der Zurückweisung im Original vorgelegt werden. Auch hier gibt es das Problem der Nichtannahme mangels Mandatierung etc., weswegen eine Zustellung an den Gegner unter Information des Kollegen sicherer sein dürfte.
C. Gerichtliche Vertretung
aa) Gegner ist nicht vertreten
Wenn der Gegner nicht vertreten ist, kann der RA
- entweder über das Gericht eine eigene Schriftsatzkündigung via beA (nebst Vollmacht) bzw. dem Gegner direkt eine papierene eigene Schriftsatzkündigung (nebst Vollmacht) jeweils im Original zustellen.
oder
- eine Kündigung durch den Mandanten, die dem RA im Original vorliegt, gem. § 130 a Absatz 3 Satz 3 ZPO in ein elektronisches Dokument umwandeln und gem. § 130 a Abs. 3 Satz 1 ZPO zustellen.
Die Gefahr einer Zustellung via Gericht war bisher, dass dieses dem Gegner den papierenen Ausdruck der nicht unterschriebenen Kündigung nebst Vollmachtskopie und das auch noch wesentlich später zustellt, der zurückweist und den Schriftformmangel rügt. Bis 16.07.24 wäre diese Art der Kündigung dann wirkungslos gewesen. Seit 17.07.2024 gibt es die §§ 130 a, 130 e ZPO, die auch in arbeitsgerichtlichen Verfahren (s. §§ 46 c, 46 h ArbGG) gelten. Die Kündigung muss klar erkennbar in einem Schriftsatz enthalten, nach § 130 a bei Gericht eingereicht und dem Gegner zugestellt oder mitgeteilt worden sein. Dann ist für die Kündigung die Schriftform bzw. elektronische Form eingehalten.
Praktisch bedeutet das, dass man das Gericht darum bitten sollte, schnell und nachweisbar (also mit Bestätigung s. § 169 ZPO) der Gegenseite den Schriftsatz nebst Vollmacht bzw. die Kündigung durch den Mandanten als Anhang zum Schriftsatz zuzustellen. Dabei muss durch den Anwalt die Form des § 130 a Abs. 3 Satz 1 ZPO gewahrt werden (also des Schriftsatzes und der Vollmacht bzw. der unterschriebenen Kündigung durch den Mandanten als Anlage jeweils qualifizert elektronisch vom RA signiert oder signiert und auf sicherem Weg übermittelt, s. § 130 a Abs. 4 Nr. 2 ZPO).
174 BGB?
Das Problem des § 174 BGB stellt sich im Gerichtsverfahren nicht. Denn die Prozessvollmacht gem. § 81 ZPO ermächtigt den Bevollmächtigten zu allen Prozesshandlungen, auch zu Kündigungen. Zwar muss diese bei Bestreiten durch den Gegner (s. § 88 ZPO) in schriftlicher Form (§ 80 ZPO) vorgelegt werden, aber sie kann eben auch nachgereicht werden, ohne dass deswegen die Kündigung unwirksam wird. Die vom Mandanten unterschriebene Prozessvollmacht bitte bei Schriftsatzkündigung als Scan beilegen.
bb) Gegner ist vertreten
Dann empfiehlt sich eine Zustellung des Schriftsatzes mit enthaltener Kündigung und Vollmacht bzw. unterschriebener Kündigung durch den Mandanten als Anlage auch an den Prozessbevollmächtigen der Gegenseite via beA – jetzt EB anklicken (s. § 195 ZPO)
Zusätzliche Materialien (Gesetze und Literatur)
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