Strafbarkeitsrisiken im Vergabeverfahren für Bieter und Ausschreibende
Wirtschaftsstrafrecht in Berlin: Dr. Tobias Lubitz zu den strafrechtlichen Gefahren in Vergabverfahren
Die Regelungen des Vergabeverfahrens sollen einen transparenten und fairen Wettbewerb gewährleisten. Gerade bei der Verwendung öffentlicher Gelder durch öffentliche Auftraggeber soll das Verfahren formalisiert sein.
Das Vergaberecht kann jedoch auch zumindest partiell im Wettbewerb zwischen Privaten Anwendung finden und den dortigen Bieterwettbewerb ordnen.
Zwischen den Wettbewerbern besteht grundsätzlich ein an die Ausschreibungsstelle gerichtetes Gleichbehandlungsgebot. Durch die Regelungen der verschiedenen Verfahrensarten sollen der Mittelstand, aber auch auch umwelt- und sozialpolitische Zwecke gefördert werden. Insgesamt soll so ein geordneter Wettbewerb um Aufträge stattfinden, der sowohl Korruptionshandlungen erschwert als auch die Chancengleichheit im Verhältnis von größeren und kleineren Wettbewerbern unterstützt.
Im Überblick bestehen unterschiedlichste Strafbarkeitsrisiken. Im Fokus steht der auf diesen Bereich zugeschnittene § 298 StGB, der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen unter Strafe stellt. Daneben ist insbesondere das Korruptionsstrafrecht relevant, sowohl hinsichtlich korruptiver Handlungen im Zusammenhang mit Amtsträgern (§§ 331 ff. StGB) als auch unter Privaten (§ 299 StGB). Weitere Strafnormen, wie Betrug oder Untreue, können relevant werden.
Von enormer Bedeutung ist zudem das Ordnungswidrigkeitenrecht (insbesondere § 81 GWB und §§ 30, 130 OWiG) mit der Möglichkeit von erheblichen finanziellen Beeinträchtigungen durch hohe Geldbußen und Ausschluss von öffentlicher Auftragsvergabe. Notwendig ist grundsätzlich vorsätzliches Handeln, Fahrlässigkeit genügt in der Regel nicht. In den Verfahren arbeiten Staatsanwaltschaft und Kartellbehörde oftmals gemeinsam.
Im Einzelnen soll insbesondere die Strafnorm des § 298 StGB auf einen freien Wettbewerb bei Ausschreibungen hinwirken. Erfasst sind neben öffentlichen auch solche Vergabeverfahren durch Private, die dem öffentlichen Verfahren (etwa nach §§ 97 ff. GWB oder VOB/A oder VOL/A) nahekommen. Damit sollte § 298 StGB bei jeder Ausschreibung – egal ob öffentlich oder privat – grundsätzlich im Blick behalten werden. Erfasst sind von der Strafnorm sowohl die typischen horizontalen Absprachen – also solche zwischen Bietern – als auch vertikale Absprachen zwischen Bietern und Ausschreibestelle.
Wann eine Absprache wettbewerbswidrig und potentiell strafbar ist, muss im Einzelfall überprüft werden. Es ist zu beachten, dass eine Absprache keinen verbindlichen Vertrag voraussetzt, sondern dass schon ein tatsächliches Übereinkommen und ein faktischer Bindungswille der Beteiligten ausreichen.
Checkliste
Der Ausschreibende kann die abgegebenen Angebote auf Auffälligkeiten überprüfen und so Hinweise auf strafbare Absprachen ermitteln. Das Bundeskartellamt führt in einer Checkliste einige Indikatoren an, die für auffällige abgegebene Angebote im Sinne von horizontalen Absprachen sprechen sollen:
- Bestehen äußerliche Ähnlichkeiten der Angebote?
- Kennt ein Bieter die Preise der anderen?
- Sind die Preise verschiedener Bieter im Vergleich auffällig?
- Sind die Preise eines Bieters überraschend?
- Sind bestimmte Angebotsmuster zu erkennen, die auf eine Marktaufteilung hindeuten?
- Gibt ein Bieter offensichtlich ein nicht ernst gemeintes Scheinangebot ab?
- Sind nach einem bestimmten Marktereignis, etwa einer Messe, Preissteigerungen bei allen Anbietern ersichtlich?
Zur Ceckliste des Bundeskartellamtes Checkliste Bundeskartellamt 2014
Der Bereich der horizontalen Absprachen ist in der Praxis wohl am häufigsten anzutreffen. Die Verbindung von Bieter und Vergabestelle – die vertikale Richtung – kann jedoch neben § 298 StGB unter dem Blick des Korruptionsstrafrechts, insbesondere den §§ 331 ff. StGB, strafrechtlich relevant werden. Gewährt ein Bieter einem öffentlichen Amtsträger für die Vornahme einer pflichtwidrigen Diensthandlung einen Vorteil, etwa durch Zahlung eines Geldbetrages für die rechtswidrige Bevorzugung in einem Vergabeverfahren, so kann dies für beide Seiten strafbar sein. Das Korruptionsstrafrecht zielt jedoch nicht nur auf korruptive Handlungen von deutschen Amtsträgern, sondern erfasst mittlerweile auch europäische und ausländische Amtsträger. Weiterhin droht die Eintragung in ein Korruptionsregister (etwa das Berliner Register über korruptionsanfällige Unternehmen), welche bei öffentlichen Ausschreibungen einen quasi-Ausschluss vom Verfahren bedeutet.
Zudem ist eine Ausweitung auf korruptive Handlungen unter Privaten zu beobachten. Werden im Rahmen von Kartellabsprachen unter privaten Wettbewerbern Vorteile für konkrete Handlungen gewährt und so in unlauterer Weise eine Bevorzugung im Wettbewerb erreicht, so besteht mit § 299 StGB seit 2015 eine Strafnorm, die dieses korruptive Verhalten sanktioniert.
Auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 StGB sowohl gegenüber dem Ausschreibenden als auch einem Mitwettbewerber kann im Einzelfall möglich sein. Im Rahmen von Ausschreibungen kann etwa das nicht ernst gemeinte Schein- oder Schutzangebot eine Täuschungshandlung darstellen. Durch diese Angebote soll der Eindruck erweckt werden, dass die Gesamtheit der abgegebenen Angebote auf wettbewerblicher Kalkulation erfolgt sei. Ob durch dieses manipulative Verhalten auch ein Vermögensschaden eingetreten ist, ist im konkreten Fall oftmals schwierig festzustellen. Es muss nach der Rechtsprechung überprüft werden, ob der erteilte Zuschlag über einem hypothetischen Marktpreis liegt und so wirtschaftlich betrachtet nachteilig ist. Weiterhin kann nicht nur der Ausschreibende geschädigt werden, sondern auch ein Kartellaußenseiter, der aufgrund der abgesprochenen Angebote keine Chance auf einen Zuschlag hatte. Diesem Bieter müsste jedoch schon eine gesicherte Exspektanz entrissen worden sein, d.h. er muss außerhalb des Kartells grundsätzlich das niedrigste Angebot abgegeben und damit die höchste Chance auf einen Zuschlag gehabt haben. Wird ihm diese Erwartung zunichte gemacht, kann dies einen Vermögensschaden darstellen.
Auch besteht auf Bieterseite für Unternehmensmitarbeiter – neben arbeitsrechtlichen Konsequenzen – ein Strafbarkeitsrisiko wegen Untreue nach § 266 StGB. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen von Vergabeverfahren nach vorheriger horizontaler Absprache unter den Bietern der Begünstigte ein prozentuales Schmiergeld an die anderen Bieter auskehrt. Auch können vereinbarte Kick-Back-Zahlungen im vertikalen Verhältnis mit der Ausschreibestelle strafbar sein, wenn der Mitarbeiter sich in korruptiver Absprache mit der Ausschreibestelle persönlich bereichert. Das strafrechtliche Risiko trifft grundsätzlich die verantwortlichen Leitungspersonen (etwa den Geschäftsführer). Aber auch andere Personen, die einen besonderen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen eingeräumt bekommen haben (etwa Prokuristen), können sich nach den Umständen des Einzelfalls strafbar machen.
Zudem sollte beachtet werden, dass bereits die Kommunikation im Vorfeld einer unlauteren Absprache strafbar sein kann. Dies zeigt etwa § 17 UWG (strafbarer Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen).
Neben diesen Risiken für die beteiligten Personen bestehen für die involvierten Unternehmen erhebliche Risiken durch das Ordnungswidrigkeitenrecht. Unternehmen können sich zwar nach dem deutschen Strafrecht bislang nicht strafbar machen. Es besteht jedoch nach § 30 OWiG die Möglichkeit, das Unternehmen mit erheblichen Geldbußen bis zu 10 Millionen Euro zu sanktionieren, wenn eine sog. Anknüpfungstat einer natürlichen Person besteht. Dies sind vor allem die Wettbewerbsverstöße des § 81 GWB (hier droht sogar eine prozentual am Umsatz der Unternehmensgruppe orientierte Geldbuße) als auch der bereits genannte § 298 StGB. Daneben kann auch ein eigener Verstoß des Unternehmens nach § 130 OWiG zu einer Geldbuße bis zu einer Million Euro führen, wenn Aufsichtspflichten des Unternehmens verletzt werden.
Konsequenz
Es ist daher anzuraten, Geschäftsführung und Mitarbeiter regelmäßig über strafrechtliche Risiken und speziell strafrechtsrelevante Verhaltensweisen zu informieren. Dies dient nicht nur dem Schutz der Einzelpersonen, sondern kann gerade auch existenzbedrohende Geldbußen gegen Unternehmen und den drohenden Ausschluss von zukünftigen Vergabeverfahren verhindern.
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