Buchrezension: Max Alsberg (1877–1933). Chronik eines Anwaltslebens
Reinhard Hillebrand
Max Alsberg (1877–1933). Chronik eines Anwaltslebens
Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 1. Auflage 2017, 457 Seiten, broschiert, EUR 68, ISBN 978-3-96138-030-5
Zum Buch über Max Alsberg – Chronik eines Anwaltslebens
Der Berliner Anwaltskollege Reinhard Hillebrand hat im Herbst 2017 das Buch „Max Alsberg (1877–1933). Chronik eines Anwaltslebens“ beim Wissenschaftlichen Verlag Berlin (457 Seiten, 68 €) veröffentlicht.
Kollege Hillebrand ist laut seiner Website Jahrgang 1968 und hat über die Spandauer Justiz, über Aberglaube und Hexenprozesse in Preußen im 19. Jahrhundert sowie über Berliner Gärtnerjuristen Monografien ebenso wie eine Reihe Artikel zu zivilrechtlichen und rechtsgeschichtlichen Themen veröffentlicht.
Das Buch gibt eine Chronologie des Max Alsberg’schen Lebens, wobei sein Anwaltsdasein im Vordergrund steht, aber auch seine Veröffentlichungen, seine Kanzlei, seine Partner, seine Unterrichtstätigkeit, die Verbandspolitik und seine Familie nicht zu kurz kommen. Das Buch ist chronologisch nach Jahren aufgebaut und beginnt 1897 und endet 1933. Es hat 440 Seiten Text mit 2206 Anmerkungen, Quellen-, Literatur- und Namensverzeichnis. Im Großen und Ganzen besteht die herkulische Leistung des Kollegen darin, dass vorwiegend berufliche Leben des Kollegen Alsberg durch Auswertung insbesondere der damaligen vorwiegend Berliner Tageszeitungen sowie anderer diverser Archivmaterialien alltäglich nachvollziehbar zu machen.
In der dreieinhalbseitigen Einleitung gibt der Autor das sich selbst gestellte Programm vor, nämlich Dr. Max Alsberg „gerecht zu werden“, weshalb die Fülle seines Wirkens in ihrer ganzen Breite zu betrachten sei, die sich von der Alltagsarbeit, den Glanztaten, dem vielseitigen interessierten Juristen, dem regelmäßigen Versammlungsbesucher, dem Strafverteidiger, dem Modeanwalt der reaktionären Gegner der Demokratie, dem Anwalt, dem die Deutsche Bank AG die Fortführung ihres vollständigen Namens verdanke, dem rechtspolitisch Interessierten, der sich zeitlebens für Reformen engagierte und sich doch gegen die Abschaffung der Todesstrafe aussprach, dem emotionalen Menschen, dem Zeitbeobachter, dem radikalen Denker des Rechts, dem Patrioten, dem Bonvivant und Schöngeist bis hin zu dem philosophischen Betrachter seines eigenen Lebens erstrecke.
Dies geschieht dann ausführlich ab Beginn des rechtswissenschaftlichen Studiums von Dr. Alsberg. Die zu den Jahren (von 1897 bis 1933) geschriebenen Kapitel haben eine Länge von 1 bis 29 Seiten. Die ersten Studienjahre werden geschildert und der Autor hält sich hier mit zeitgeschichtlicher Unterfütterung (bis auf universitätsgeschichtliche) zurück. Erst mit dem sich abzeichnenden Ersten Weltkrieg gibt der Verfasser zeitgeschichtliche Hinweise.
Das berufsrechtliche Leben des Dr. Alsberg wird soweit archiviert/bekannt vor dem Leser in allen Schattierungen ausgebreitet. Wenn man so will, Berliner/Deutsche Geschichte ab 1897 bis 1933 durch die Brille eines jüdischen Rechtsanwaltes gesehen. Dies führt dann auch zu einer Vielzahl an Themen, die angeschnitten werden. Für den Unterzeichner sehr interessant waren folgende: Devisenbewirtschaftung/Wuchergerichte, die Lage der Anwaltschaft (ob der Inflation und Konkurrenz prekär, so wurden mehrere Deutsche Juristentage ob der finanziellen Verhältnisse abgesagt), die hellsichtigen gesellschaftlichen Analysen in den Briefen von Walter Rathenau, die langen Verhandlungstage der damaligen Geschworenengericht (Urteilsverkündung 23:00 Uhr, z. B.), ehrengerichtliche Verfahren, die Umsätze einer damaligen Anwaltskanzlei, der Kampf um den strafprozessrechtlichen Fortschritt (Reformvorhaben) und die Vielzahl der Alsberg’schen Fälle, die der Autor vorstellt.
Immer wieder setzt sich der Autor mit der bisherigen Literatur über Dr. Max Alsberg auseinander und da insbesondere mit dem Roman über Max Alsber von Curt Riess („Der Mann in der schwarzen Robe“ von 1965) und dessen Wahrheitsgehalt. Ein weiteres Grundthema ist die Vertretung rechtsnationaler, antisemitischer Mandanten durch Dr. Alsberg und das erst ganz späte Eintreten für die Wahrung des Rechtsstaates (als es schon zu spät war). Der Staranwalt Dr. Alsberg betrat ab 9. März 1933 das Büro nicht mehr, ging in die Schweiz und legte am 11. September 1933 mit 55 Jahren dort in einem Sanatorium Hand an sich.
Im Epilog versucht der Autor ein kurzes (mit poetischen Zitaten) gespicktes Fazit: „Er (Alsberg, Anmerkung des Verfassers) ist beispielgebend für Höchstleistungen eines Strafverteidigers einerseits und steht für die Gefährlichkeit eines Schutzes aufstrebender undemokratischer Bewegungen vor rechtzeitiger gerichtlicher Verfolgung sowie die Fragwürdigkeit eines Strebens nach Geld und Ruhm um fast jeden moralischen Preis andererseits. Eine genialische Persönlichkeit ohne jegliche Nachtseiten ist eine Menschensorte, die erst noch erschaffen werden müsste.“
Dieses Buch ist ein Muss für jeden, der sich mit Dr. Max Alsberg beschäftigen will. Es ist eine willkommene Ergänzung zu dessen eigenen Schriften, die 2013 in zweiter Auflage vom Kollegen Jürgen Taschke herausgegeben wurden (Jürgen Taschke (Hrsg.): Max Alsberg, Baden-Baden, 2. Auflage 2013, 719 Seiten, 179 €).
Hingewiesen sei auch auf die jährlich (meistens im Herbst) in Berlin stattfindende Alsberg-Tagung des Vereins Deutsche Strafverteidiger e. V..
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