Kriminalistisches Denken - Buchrezension
Hans Walder / Thomas Hansjakob / Thomas E. Gundlach / Peter Straub
Kriminalistisches Denken
Kriminalistik Verlag, 11. Auflage 2020, 464 Seiten, Softcover, 28 Euro, ISBN 978-3-7832-0056-0
Dieser Klassiker der nichtpolizeilichen Kriminalistik-Literatur erschien in der ersten Auflage 1955 (da von Herrn Walder, ab der siebten Auflage von Herrn Hansjakob und seit der elften Auflage nun von Herrn Gundlach (Professor für Kriminalistik an der Polizeihochschule Hamburg) und Herrn Dr. Straub (Leitender Staatsanwalt im Kanton St. Gallen). Dieses Buch gibt einen gut geschriebenen und inhaltlich gut strukturierten Überblick über das Handwerk / die Wissenschaft der Kriminalistik.
Die Autoren setzen sich selbst folgendes Ziel: „Ziel des vorliegenden Buches ist es, Hinweise zu Überlegungen und Denkleistungen zu geben, welche nötig sind, um eine Straftat zu erkennen, eine vermeintliche bzw. tatsächliche Straftat aufzuklären oder nachzuweisen, dass keine Straftat begangen wurde.“ Diesem Ziel wird das Buch vollends gerecht. Es ist in drei große Kapitel eingeteilt. Das erste Kapitel befasst sich mit Aufgaben und Mitteln der Kriminalistik und leitet in das kriminalistische Denken ein, skizziert die kriminalistische Aufgabe und beschreibt die Mittel der Kriminalistik. Das zweite und mit Abstand längste Kapitel widmet sich der kriminalistischen Methode. Es beschreibt zunächst den kriminalistischen Zyklus und geht dann die fünf Untereinheiten des kriminalistischen Zyklus (Verdacht, Daten analysieren, Hypothesen bilden, Programm bestimmen, fehlende Daten beschaffen) im Einzelnen mit guten Überblicken zu den jeweiligen Themen und Literaturhinweisen durch. Geschrieben ist das Buch aus der eher juristischen Ermittlersicht. Es zeichnet sich generell durch einen sprachlich eingängigen Stil aus. Es werden über das polizeiliche Handwerk hinaus Hinweise und Anknüpfungen zu anderen Wissenschaften gegeben. Die Autoren beschreiben umfassend die Denk- und Ermittlungsmöglichkeiten sowie die Struktur von Ermittlungen. Sie weisen selbstreflektiv immer wieder auf mögliche Fehlermittlungen hin und raten zur Vorsicht.
Mit dem kriminalistischen Zyklus wird ein gutes Schema zur Strukturierung der ermittelnden Vorgehensweise an die Hand gegeben. Insbesondere die Ausführungen vom ersten Verdacht bis zum Sammeln des Materials und dann insbesondere der Analyse der geordneten Daten hin zu der Bildung von Hypothesen sind sehr lehrreich.
Die einzelnen Kapitel geben gute Überblicksinformationen über das jeweilige Unterthema. Bei den Kapiteln über die Vernehmung (Unterpunkt zu „fehlende Daten beschaffen“) werden gute Ausführungen zur Praxis guter Vernehmungen und zur psychologischen Untermauerung gemacht.
Das Schlusskapitel „Das Ergebnis“ befasst sich mit dem strafprozessualen Beweis, einem sehr guten Kapitel zum Indizienbeweis und einem in üblicher Literatur kaum zu erwartenden Unterkapitel „Der Zweifel am eigenen Ergebnis“ und „Häufige Fehler beim kriminalistischen Arbeiten“.
Ein Buch, das Lust macht auf kriminalistisches Denken/Arbeiten und sich durch Klarheit und Konzentration sowie Besinnung auf den rechtsstaatlichen Rahmen, mit Verknüpfungen zu anderen Gewerken/Wissenschaften, auszeichnet. Mit der Lektüre dieses Buches bekommt man ein ganz gutes Rüstzeug, um Ermittlungsakten auf ihre kriminalistische Qualität hin überprüfen zu können und u. a. daraus auch Ansätze für eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln.
Mehr zum Autor des Artikels Rechtsanwalt Thomas Röth finden Sie unter RA Thomas Röth.