Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Organisation
Benjamin Derin / Tobias Singelnstein
Econ, 1. Aufl. 2022, 473 Seiten, Hardcover, 24,99 Euro, ISBN 978-3-430-21059-1
Eine Buchrezension von RA Thomas Röth
Der Verfasser fand dieses Buch des Berliner Kollegen Benjamin Derin und des Kriminologen Tobias Singelnstein in einer Bahnhofsbuchhandlung und nahm es mit. Eine wirklich gute, verständlich geschriebene und umfassende Information über die Institution der Polizei. Dieses Buch will der Fachnische der Polizeiliteratur entkommen und wendet sich an alle.
Mit dem letzten Absatz des Buches vor dem Literaturverzeichnis wird das Anliegen sehr gut umschrieben: „Wir müssen als Gesellschaft offen über die fundamentale Ambivalenz der Polizei sprechen, über die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Demokratisierung. Es gilt auszuhandeln, wo ihre Aufgaben und Befugnisse wirklich erforderlich und zweckmäßig sind, was Sicherheit bedeuten soll und für wen sie wie aussieht – das alles ist Teil der Diskussion um die Zukunft der Polizei.“ (Seite 388)
Um zu dieser Diskussion die grundlegenden Informationen zu geben, dazu ist dieses Buch da (Seite 15 „Ziel ist es die Polizei in all ihren Widersprüchen zu betrachten. Dabei ergibt sich das Bild einer fundamental ambivalenten Organisation“). Nach der Einleitung ist das Buch in folgende weitere Kapitel aufgeteilt:
Die Polizei in der Gesellschaft: Hier geht es darum, was die Polizei macht, wie sie entstanden ist, dass und wie sie die soziale Ordnung durchsetzt und für wen sie damit tätig ist (= „wessen Polizei“); Die Polizei als Organisation: ihr Aufbau, ihre Arbeitsweise, ihr Personal, ihr Innenleben und die alltägliche Polizeikultur (u. a. Cop-Culture); Polizeiprobleme: Polizei und Gewalt, Rassismus und Diskriminierung, Rechtsextremismus in der Polizei, Fehlverhalten, Aufarbeitung und (Fremd-)Kontrolle; Polizei im Wandel: neue Aufgaben, neue Befugnisse, neues Selbstbewusstsein, die Polizei und die Politik und die Rolle der Polizeigewerkschaften, die empfindliche Organisation und die Verselbstständigung der Polizei; Perspektiven: die Polizei als ambivalente Organisation, die Demokratisierung der Polizei als Prozess, mögliche alternative Strukturen durch „Defund“ bzw. „Abolish“ bzw. andere Konfliktlösungsversuche („restorative und transformative Justice“).
Im allerletzten Unterkapitel wird die Polizei neu gedacht und Erwägungen zu weniger Waffen, weniger Gewalt und zur Entkriminalisierung angestellt. Schlusskadenzend wird darüber nachgedacht, wofür wir die Polizei brauchen und was Sicherheit bedeutet. Ein 44-seitiger Anmerkungsteil mit interessanten Literaturhinweisen rundet das Buch ab (zum Beispiel der sehr interessante Podcast von Dr. Michael Fischer auf Youtube „fischer exploriert – Polizei und Demokratie“).
Fazit
Es werden die Funktionsweise, die Geschichte, die Kritikunfähigkeit, das Fehlverhalten, die Bedeutung und Rolle der Polizei in den letzten Jahrzehnten und die Forschung zur Polizei gut beschrieben. Am Ende hat man einen sehr guten Eindruck über diese Institution gewonnen, mit vielen Anregungen und insbesondere mit der Überzeugung, dass die Autoren mit der im Eingangszitat zum Ausdruck kommenden Diskussionsnotwendigkeit sehr richtig liegen. Insbesondere uns als Anwält:innen sollte es ein Anliegen sein, an dieser Diskussion (ein zentrales Anliegen für den Rechtsstaat und unsere Behördenkultur) teilzunehmen.
Hinweis: der Arbeitskreis Strafrecht des Berliner Anwaltsvereines veranstaltet am 15.2.2023 von 18 bis 20 Uhr (der Ort wird noch bekannt gegeben) eine Buchvorstellung (ein Verfasser, Kollege Derin, stellt es vor). Anschließend gibt es eine Diskussion über die Polizei mit einem Professor der HWR, Herrn Aden, der zur Polizei forscht. Für genauere Informationen und Anmeldungen sie Berliner Anwaltsverein unter „Veranstaltungen“.
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