Nebenfolgen strafrechtlicher Verurteilung
Aufsatz, erschienen im Strafverteidiger Forum (StraFo), StraFo 2012, 354-362 von Rechtsanwalt Thomas Röth, BerlinDer Verfasser hat am 15.02.2012 ein Referat zum o.a. Thema vor dem Arbeitskreis Strafrecht des Berliner Anwaltsvereines gehalten. Die Grundstruktur wurde für den Artikel beibehalten. Sehr geholfen haben Artikel aus dem Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung (hrsg. von Gunter Widmaier, 1. Aufl., 2006, München).
Im Folgenden werde ich zunächst einen kursorischen Überblick über mögliche Nebenfolgen strafrechtlicher Verurteilungen geben (keinesfalls abschließend). Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass hier nur alles holzschnittartig aufgelistet wird und Vertiefungen etwaigen künftigen Veranstaltungen vorbehalten bleiben. Etwas näher ausgeführte Kapitel haben Überschriften in Fettdruck.
Und nun zu den möglichen Nebenfolgen
Nebenfolgen, die durch das Strafgericht selbst möglich sind (vorläufige Maßnahmen also vor rechtskräftiger Verurteilung bleiben hier außen vor).
a) Verlust der Amtsfähigkeit und dergleichen (§ 45 ff StGB)
Wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von 5 Jahren die Fähigkeit öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.
Gemäß Absatz 2 kann das Gericht dem Verurteilten für die Dauer von 2 bis 5 Jahren die in Absatz 1 bezeichneten Fähigkeiten aberkennen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht.
Öffentliche Ämter sind insbesondere Ämter der staatlichen Verwaltung und der Justiz sowie solche der Gemeinden, auch öffentliche Anstalten (Universität, Sozialversicherung) zählen dazu, nicht jedoch die Kirchen. Auch ehrenamtliche Richter fallen darunter. Nicht darunter fallen Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater.
b) Sperre für die Fahrerlaubniswiedererlangung (§ 69 StGB) und Fahrverbot (§ 44 StGB)
c) Maßregeln der Sicherung und Besserung (§§ 61-72 StGB)
- die Unterbringung in einem Krankenhaus (§ 63 StGB)
- die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
- die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB)
- die Führungsaufsicht (§ 68 StGB)
- die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB)
- das Berufsverbot (§§ 70 ff. StGB)
Das Gericht kann die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, in Ausnahmefällen auch für immer. Voraussetzung ist, dass die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Weitere Voraussetzung ist, dass er unter Missbrauch seines Berufes oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten rechtswidrige Taten begangen hat. Das Verbot kann auch schon vorläufig angeordnet werden (§ 132 a StPO). Das Verbot wird rechtskräftig im Urteil wirksam. Sollte während der Verbotsdauer dagegen verstoßen werden, ist § 145 c StGB einschlägig.
Dies gilt in der Regel für alle Berufe, außer denen, die bereits über § 45 StGB geregelt sind.
d) Einziehung und Verfall (§§ 73-76a StGB)
e) Schadensersatz im Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff StPO)
2. Schadensersatz vor dem Zivilgericht (hier u.a. § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB)
Eine strafrechtliche Verurteilung hat keine Bindungswirkung für das Zivilgericht. Es kann beim Zivilgericht eine Aussetzung gem. § 149 ZPO bis zur Entscheidung in der Strafsache beantragt werden, diese steht jedoch im Ermessen des Zivilgerichts. Das Geständnis sowie andere Beweismittel/Ergebnisse können in Form des Urkundenbeweises eingeführt werden.
Das große Problem Wahrheitspflicht im Zivilprozess versus Schweigerecht im Strafprozess ist noch keiner Lösung zugeführt worden.
§ 580 ZPO ermöglicht die Wiederaufnahme des Zivilverfahrens bei Vorliegen einer Straftat.
3. Einträge in verschiedene Register (werden hier nur aufgezählt/es können jedoch bei der Behörde Ausnahmen von Eintragungen beantragt werden)
- Bundeszentralregister
- Verkehrszentralregister
- Ausländerregister
- Antikorruptionsregister
- Gewerbezentralregister
- Erziehungsregister
4. Widerruf von Genehmigungen, Untersagungen und Sperren
Wenn Tätigkeiten von einer staatlichen Genehmigung abhängen oder der staatlichen Kontrolle (auch ohne Genehmigung) unterliegen und der Begriff der „Zuverlässigkeit“ bzw. der „Würde“ (z.B. Doktortitel) eine Rolle spielt, muss bei strafrechtlichen Verurteilungen mit Widerruf von Genehmigungen oder Untersagung bzw. Sperre gerechnet werden. Das Gleiche kann auch für den Erwerb von „Lizenzen“ durch private Institutionen (z.B. Fußballtrainerlizenz) gelten.
Zum einen geht es um das Verbot der Erteilung einer Genehmigung für einen zukünftigen Zeitraum (=Sperre), zum anderen um den Widerruf bereits erteilter Genehmigungen oder um die Versagung einer beantragten Genehmigung.
a) nach der Gewerbeordnung
Es kann eine Gewerbeuntersagung gem. § 35 GewO (keine vorherige Erlaubnis, nur Anzeige) oder eine Rücknahme bzw. ein Widerruf einer erteilten Erlaubnis erfolgen. Auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung muss die Behörde eine Prognose wagen hinsichtlich des Risikos einer Beeinträchtigung gesetzlicher Schutzgüter. Schuldhaftes Verhalten ist nicht Voraussetzung. Die Tatsachen, aus denen die fehlende Zuverlässigkeit sich ergibt, muss auch nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Gewerbes geschaffen worden sein. Sie müssen allerdings gewerbebezogen sein.
§ 35 Abs. 3 GewO umschreibt die Bindungswirkung einer strafrechtlichen Verurteilung für das Untersagungsverfahren. Die strafgerichtliche Entscheidung entfaltet Tatbestandswirkung. Es kommt auf den Schuldspruch an.
b) Versagung bzw. Widerruf des Jagdscheins gem. § 17 Bundesjagdgesetz
Hier genügt eine Verurteilung von 60 Tagessätzen und mehr für den Entzug des Jagdscheins.
c) die Waffenbesitzkarte (§ 5 Waffengesetz)
Nichterteilung bzw. Widerruf von Waffenbesitzkarten und Waffenscheinen. Auch hier ist der Rahmen bei 60 Tagessätzen und höher.
d) Trainerlizenz
Es kann auch die Gefahr bestehen, dass durch eine strafrechtliche Verurteilung dem Verurteilten z.B. die Trainerlizenz entzogen werden kann. Hier müssen Sie sich für die jeweilige Sportart bei dem jeweils zuständigen Landes- bzw. Bundesverband oder bei dem DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) erkundigen (in der Regel nach den jeweiligen Ausbildungsordnungen, die den Entzug vorsehen). Für den Fußballtrainer sei auf die DFB-Ausbildungsordnung (s. www.dfb.de unter Publikationen/Download) – insb. §§ 12, 29 und 30- hingewiesen.
e) akademische Titel
Titel können wieder aberkannt werden (in der Regel von der ausstellenden Körperschaft, z.B. Universität). Zu unterscheiden ist, ob der Titel wegen Täuschung mit der „Arbeit“ (z.B. Nichtzitieren der Literatur in der Doktorarbeit) oder wegen Fehlverhaltens außerhalb der „Arbeit“ (z.B. im Privatleben) aberkannt werden soll. Im ersten Fall ist das – je nach Bundesland- nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz oder dem Hochschulgesetz möglich. Im zweiten Fall wird das nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (Stichwort: Widerruf) nur schwer möglich sein. Einige Hochschulgesetze sehen dies jedoch vor. § 34 Absatz 7 des Berliner Hochschulgesetzes sieht in den Nr. 2 und 3 vor, dass der akademische Titel aberkannt werden kann, wenn der Inhaber der Verleihung oder der Führung eines akademischen Grades unnwürdig war.
f) Entziehung bzw. Nichterteilung von Fahrerlaubnissen (für Fahrzeuge im Straßenverkehr, Luftfahrzeuge sowie Schiffe und Sportboote)
Die o.a. Möglichkeiten gibt es nicht nur für den Strassenverkehr, sondern auch für den Luft- und Wasser verkehr.
5. mögliche Berufsverbote außerhalb des StGB (Auswahl)
a) öffentlicher Dienst (Beamte, Richter und Soldaten: hier wird auf den Artikel des RA Bracher, § 31, im Münchener Anwaltshandbuch zurückgegriffen)
aa) Statusverlust kraft Gesetzes
Gemäß § 41 I Nr. 1 BBG (Bundesbeamtengesetz) endet das Dienstverhältnis eines Beamten, der in einem ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich des Bundesbeamtengesetzes wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, mit Rechtskraft des Urteils. Landesbeamtengesetze enthalten diese Regelung ebenfalls (Grundlage § 24 I S. 1 Nr. 1 BRRG, für Richter § 24 Nr. 1 DRIG und für Soldaten § 48 S. 1 Nr. 2 SG, für Soldaten auf Zeit in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Nr. 2 SG). Diese Regelung gilt für alle aktiven Beamten, Soldaten und Richter, unabhängig davon, ob sie in einem Dienstverhältnis auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe oder auf Widerruf stehen.
Beamte, Richter und Soldaten im Ruhestand, die erst nach der Beendigung des Dienstverhältnisses eine vorsätzliche Tat begehen und zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden sind, verlieren ihre Versorgungsansprüche (siehe § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a Beamtenversorgungsgesetz, § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a Soldatengesetz). Sollten sie die Tat noch in der aktiven Phase begehen und danach erst abgeurteilt werden, gilt die Ein-Jahres-Regel.
Dieser automatische Statusverlust tritt nicht ein, wenn die Freiheitsstrafe durch Strafbefehl verhängt wird. Der Strafbefehl ist für das Verwaltungsrecht kein Urteil in einem ordentlichen Strafverfahren.
Der Statusverlust soll nur eintreten, soweit die Verurteilung nach Begründung des Beamten-, Richter- oder Soldatendienstverhältnisses erfolgt ist.
Die Verurteilung muss sich auf eine vorsätzlich begangene Tat beziehen. Dazu gehören auch die erfolgsqualifizierten Delikte (bei denen die fahrlässige Herbeiführung des Erfolges genügt). Bei einer tateinheitlichen vorsätzlichen und fahrlässigen Vorwerfbarkeit, muss aus dem Strafurteil eindeutig hervorgehen, dass die Verhängung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe allein wegen der Vorsatztat erfolgt ist. Bei einer Gesamtfreiheitsstrafe muss ausdrücklich eine Einsatzstrafe für eine vorsätzliche Tat von einem Jahr benannt werden.
Bei Verurteilung wegen einzelner vorsätzlich begangener Staatsschutzdelikte droht Statusverlust oder Verlust der Versorgungsansprüche bereits bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten. Bei aktiven Soldaten und Richtern kommt es bei Staatsschutzdelikten auf die Höhe der Freiheitsstrafe nicht an.
Bei aktiven Beamten, Soldaten oder Richtern tritt der Statusverlust auch gem. § 45 StGB (siehe oben) ein. Bei Soldaten kommt als weiterer Beendigungstatbestand auch die Verhängung einer Maßregel nach § 64 oder § 66 StGB hinzu.
Der Rechtsverlust tritt kraft Gesetzes ein. Das Strafgericht muss dies als Strafzumessungserwägung mit einbeziehen. Der Dienstherr kann, muss aber nicht, durch Verwaltungsakt die Beendigung des Dienstverhältnisses feststellen. Hiergegen ist der normale beamtenrechtliche Rechtsweg offen. Ein erfolgreiches strafgerichtliches Wiederaufnahmeverfahren bedeutet, dass das Dienstverhältnis als nicht unterbrochen gilt.
ab) Disziplinarverfahren
Das Disziplinarverfahren ahndet Dienstvergehen. Diese können auf einem inner- oder außerdienstlichen Verhalten beruhen. Hier geht es um die Frage der Straftaten als Dienstvergehen. Jede Verletzung von Pflichten im innerdienstlichen Bereich stellt ein Dienstvergehen dar. Ein außerdienstliches Verhalten eines aktiven Beamten ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles im besonderen Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 77 Abs. 1 S. 2 BBG bzw. § 45 Abs. 1 S. 2 BRRG). Für Richter gilt durch Verweisung dasselbe. Zusätzlich müssen sie sich außerhalb ihres Amtes so verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Für Soldaten ist die Pflicht zur Erhaltung der Gesundheit besonders akzentuiert. Für Bedienstete im Ruhestand gelten Sonderregelungen (Abmilderungen).
Die Abgrenzung zwischen inner- und außerdienstlichem Verhalten nimmt die Rechtsprechung dahingehend vor, dass innerdienstliches Verhalten immer dann vorliegt, wenn es den besonderen Pflichtenkreis tangiert, der durch dieses Amt begründet ist, also nicht ob Pflichtverletzung im Dienst oder außerhalb des Dienstes geschieht. Beispiele hierfür: Durchführung einer Schwarzfahrt mit einem Dienstfahrzeug, die Veröffentlichung eines beleidigenden Leserbriefes, welcher sich auf dienstliche Vorgänge bezieht, der Diebstahl im Betrieb eines Postkunden während des Zustellgangs in Dienstkleidung).
Außerdienstliches Verhalten konkretisiert das Bundesverwaltungsgericht wie folgt: Die Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung muss sich entweder auf das konkret funktionelle Amt des Beamten oder auf das Ansehen des Beamtentums beziehen. Eine Beeinträchtigung im Bezug auf das Amt scheidet aus, wenn der Beamte zur Zeit des Dienstvergehens kein konkret funktionelles Amt inne hatte, dann bleibt nur noch das Ansehen des Beamtentums (siehe die entliehenen Beamten bei privatisierten staatlichen Großunternehmen). Das Ansehen des Beamtentums kann beeinträchtigt sein, wenn durch das Verhalten die berufliche Aufgabe berührt wird, nämlich „eine stabile gesetzestreue Verwaltung zu sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung zu verteidigen und durch unabhängige Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den politischen Kräften darzustellen.“. Beispiele hierfür sind Straftaten der §§ 80 bis 120 StGB, die sich gegen das Vermögen des Staates richten. Ebenso gilt dies für schwerwiegende vorsätzliche Straftaten, die mit Freiheitsstrafe geahndet werden. Nicht tangiert ist dies bei einer einmaligen außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt eines Beamten, der dienstlich nicht mit dem Fahren von Kraftfahrzeugen betraut ist.
Die verstärkenden Umschreibungen (in besonderem Maße und in bedeutsamer Weise) bringen das Bundesverwaltungsgericht dazu, dass die Beeinträchtigung wahrscheinlich eine überdurchschnittlich disziplinare Relevanz haben muss. Es darf nicht bloß eine besondere Verantwortungslosigkeit sein. Das hier Vorgetragene gilt insoweit auch für die Landesbeamten und Richter sowie mit Einschränkungen auch für das Soldatenrecht.
Bindungswirkung tatsächlicher Feststellungen im Strafverfahren für das Disziplinarverfahren
Ein rechtskräftiges Strafurteil bindet hinsichtlich aller tragenden tatsächlichen Feststellungen das behördliche Disziplinarverfahren. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren sind Abweichungen nur bei offenkundigen Unrichtigkeiten möglich. In zahlreichen landesrechtlichen Regelungen genügen bereits Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellung.
Der Strafbefehl bzw. eine Einstellungsverfügung haben keinerlei Bindung für das Disziplinarverfahren.
Vernehmungsniederschriften aus Ermittlungsverfahren und Geständnissen können ohne erneute Prüfung im Disziplinarverfahren erneut verwandt werden.
Ein Freispruch im Strafverfahren kann nur dann noch disziplinarrechtlich geahndet werden, wenn der freigesprochene Sachverhalt ein Dienstvergehen darstellt, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift zu erfüllen (so genannter disziplinarer Überhang).
Der Maßnahmenkatalog der diversen Disziplinargesetze reicht vom Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst. Gegenüber Ruhestandsbeamten sind nur Kürzungen und Aberkennung des Ruhegehalts möglich. Bei Beamten auf Probe und Beamten auf Zeit sind die Disziplinarmaßnahmen oft ebenfalls beschränkt. Die Richtergesetze lauten insoweit ähnlich wie bei Beamten auf Lebenszeit. Bei Soldaten ist der Katalog der Disziplinarmaßnahmen wesentlich erweitert (siehe §§ 22, 28 WDO).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Bemessung der Disziplinarmaßnahmen umfangreich judiziert. Diese Rechtsprechung sollte man kennen, damit auch verteidigt werden kann mit Blick auf ein etwaiges Disziplinarverfahren.
Einig sind sich sämtliche Disziplinargesetze hinsichtlich des absoluten Maßnahmeverbotes. Ist also gegen einen Beamten, Richter oder Soldaten unanfechtbar eine Strafe verhängt worden, so darf wegen desselben Sachverhalts, bis auf Entfernung aus dem Dienst, keine disziplinarrechtliche Maßnahme ergriffen werden. Manche Disziplinarordnungen lassen neben der Entfernung aus dem Dienst auch andere Maßnahmen bei strafgerichtlicher Verurteilung zu.
Daneben gibt es ein relatives Maßnahmeverbot. Dies bedeutet, dass in den Disziplinarordnungen die Zulässigkeit der Verhängung bestimmter weiterer Disziplinarmaßnahmen neben der strafrechtlichen Verurteilung von einer besonderen Prüfung der Erforderlichkeit abhängig gemacht wird.
Unter Strafe verstehen die Disziplinarordnungen alle Verurteilungen nach dem StGB und strafrechtlichen Nebengesetzen, durch die eine Strafe verhängt worden ist. Hierzu gehören auch Strafbefehle sowie die Verwarnung mit Strafvorbehalt.
Die Disziplinaragesetze gegen Bundesbeamte, Richter im Bundesdienst und Soldaten sehen ein absolutes Maßnahmeverbot auch bei rechtskräftiger Einstellung gem. § 153 a StPO vor. In landesrechtlichen Disziplinarordnungen besteht diese Gleichstellung vielfach nicht.
Diese Maßnahmenverbote kommen nur dann in Betracht, wenn es sich um denselben Sachverhalt (prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO) handelt.
Der Begriff der Erforderlichkeit einer Disziplinarmaßnahme muss die Persönlichkeit des Beamten mit einbeziehen und auf einer konkreten Betrachtung beruhen.
Die Aussetzung des Disziplinarverfahrens bei Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist in vielen Disziplinaranordnungen zwingend bzw. mit Ermessen vorgesehen.
Die Disziplinaranordnungen sehen auch vorläufige Dienstenthebungen bzw. teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge vor.
Bei Beamten bzw. Richtern auf Zeit und auf Probe sind die Entlassungsmöglichkeiten einfacher.
b) Berufsverbote für Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
Die Beendigung kraft Gesetzes tritt für Notare bei einer Verurteilung von mindestens einem Jahr ein (§ 49 BNotO). Die Versagung der Bestellung/Zulassung wegen einer Straftat sowie die vorläufige Dienstenthebung und ein vorläufiges Berufsverbot sind in den §§ 6 Abs. 1 S. 1 und 54 Abs. 4 BNotO geregelt.
Die Versagung der Bestellung bzw. Zulassung wegen einer Straftat ist für Steuerberater in § 40 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 Steuerberatungsgesetz und die vorläufige Dienstenthebung in §§ 134 ff. Steuerberatungsgesetz geregelt. Für Wirtschaftsprüfer ist die Versagung der Bestellung/Zulassung wegen einer Straftat in den § 10 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 i. V. m. § 16 Abs. 1 und § 16 Abs.2 WPO und die vorläufige Dienstenthebung in §§ 111 ff. WPO geregelt.
c) Rechtsanwälte
Die Zulassung ist zu versagen bzw. zu widerrufen, wenn gem. § 7 Nr. 2 BRAO der Bewerber bzw. Anwalt infolge strafgerichtlicher Verurteilung gem. § 45 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht (mehr) besitzt.
Gemäß § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt den Beruf eines Anwaltes auszuüben. Hierfür können auch Straftaten in vergangenen Zeiträumen berücksichtigt werden. Es muss immer geprüft werden, ob unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und des Verhaltens des Bewerbers eine Gefährdung für wesentliche Belange der Rechtspflege als Folge der Zulassung zu erwarten ist. Negativ schlagen vorsätzliche Straftaten im Zusammenhang mit der Berufsausübung zu Buche. Fahrlässige Delikte kommen eher nicht in Betracht. Bei außerberuflichen Delikten kommen vorwiegend solche in Betracht, die sich gegen Rechtsgüter richten, die für die anwaltliche Berufsausübung von besonderer Bedeutung sind. Bereits nach BZRG gelöschte Eintragungen dürfen nicht mehr berücksichtigt werden. Hätte die Straftat zum Ausschluss aus der Anwaltschaft geführt, so ist die gesetzliche Wertung des § 7 Nr. 3 BRAO (Sperrfrist von 8 Jahren) auch einzuhalten.
Strafgerichtliche Feststellungen gelten im Verwaltungsverfahren auf Zulassung nicht.
Treten nach Zulassung Umstände ein, die die Unwürdigkeit im Sinne des § 7 Nr. 5 BRAO begründen würden, kann nur widerrufen werden, wenn zugleich ein Grund gem. § 14 Abs. 2 BRAO vorliegt. Ansonsten besteht immer die Möglichkeit den Rechtsanwalt gem. § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO im anwaltsgerichtlichen Verfahren auszuschließen.
Werden nachträglich Tatsachen bekannt, die bereits vorlagen, um die man aber bei Zulassung nicht wusste, so ist gem. § 14 Abs. 1 BRAO die Rechtsanwaltskammer zur Rücknahme der Zulassung verpflichtet.
§ 113 Abs. 1 BRAO regelt die Möglichkeit der Verhängung anwaltsgerichtlicher Maßnahmen wegen beruflicher Pflichtverletzungen. § 113 Abs. 2 BRAO regelt dies für außerberufliche Straftaten. Dabei geht es um die Frage, ob das Verhalten des Anwalts geeignet ist Achtung und Vertrauen der Rechtsuchenden in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Hierbei ist auf die Schwere der Tat und auf berufsspezifische Rechtsgüter (z. B. Vermögens- oder Aussagedelikte) gegen die sie sich richtete abzustellen.
§ 118 Abs. 2 BRAO regelt die Sperrwirkung bei Freispruch. § 118 Abs. 3 regelt die Bindungswirkung für strafgerichtliche Feststellungen. § 115 b BRAO enthält das relative Maßnahmeverbot (trotz strafrechtlicher Verurteilung kann ein Tätigkeitsverbot bzw. eine Entlassung aus der Anwaltschaft möglich bleiben).
Das vorläufige Berufsverbot ist in den §§ 150 ff. BRAO geregelt.
d) Architekten
Das Berufsrecht der Architekten ist Landesrecht. Für Berlin ist das Berliner Architekten- und Baukammergesetz einschlägig. In der Regel gelten diese Gesetze auch für verwandte Berufe (Stadtplaner, beratende Ingenieure). Geregelt werden dort Zulassung und Löschung sowie Versagungsgründe. Es werden auch berufsrechtliche Verfahren vorgesehen. Die Landesgesetze regeln auch die Auswirkungen strafgerichtlicher Verfahren auf derartige berufsgerichtliche Verfahren (s. für Berlin §§ 5, 21 ff ABKG).
e) bei Apothekern, Ärzten
ea) Approbation
Die Approbation setzt voraus, dass der Arzt oder Apotheker sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen bzw. Apothekerberufs ergibt. Unwürdig ist ein Arzt laut Bundesverwaltungsgericht, „wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist.“ Die Unwürdigkeit muss sich aus einem schwerwiegenden Fehlverhalten ergeben. Die Beurteilung der Unwürdigkeit erfordert eine Prognose. Es kommt darauf an, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt oder Apotheker werde in Zukunft seine berufsspezifischen Pflichten nicht beachten; auf Verschulden kommt es nicht an. Früheren Straftaten kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Größeres Gewicht haben selbstverständlich dabei berufsbezogene Verfehlungen als Verfehlungen im privaten Bereich. Im privaten Bereich wird man, so wie bei Beamten und Anwälten, darauf abstellen müssen, ob sich diese Straftaten gegen Rechtsgüter richten, die für die ärztliche Berufsausübung von besonderer Bedeutung sind (z. B. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, Drogenmissbrauch usw.)
Nichterteilung bzw. Rücknahme oder Widerruf der Approbation sind (in der Regel ohne Ermessen) möglich.
Strafgerichtlichen Entscheidungen kommen im Verfahren auf Erteilung, Rücknahme oder Widerruf der Approbation keine Bindungswirkung zu.
Ein Berufsverbot gem. § 70 StGB kann der Rücknahme oder dem Widerruf der Approbation entgegenstehen, wenn das Berufsverbot bereits alle Erwägungen berücksichtigt, sodass kein berufsrechtlicher Überhang mehr besteht. Umgekehrt gilt das jedoch nicht (das Strafgericht sieht mit guten Erwägungen vom Berufsverbot ab; Verwaltungsbehörde ist daran nicht gebunden).
Nach Einleitung eines Strafverfahrens kann die Approbationsbehörde das Ruhen der Approbation anordnen (wenn sich das Verfahren auf den Verdacht einer Straftat bezieht, aus der sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit ergeben kann). Für diesen Fall muss allerdings eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der strafrechtliche Verdacht begründet ist. Der sofortige Vollzug bedürfte des Nachweises konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter.
eb) Ausschluss von der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung
Nach den Zulassungsverordnungen ist ein Arzt mit in der Person liegenden schwerwiegenden Mängeln für die Ausübung der Kassenpraxen ungeeignet. Deshalb ist ihm eine solche Zulassung zu versagen. Gemäß § 95 Abs. 6 SGB V ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder der Arzt seine vertraglichen Pflichten gröblich verletzt. Laut Bundessozialgericht ist eine Pflichtverletzung gröblich, „wenn ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung notwendig ist; diese Sicherung beruht wesentlich auf der freiberuflichen Tätigkeit des niedergelassenen Kassenarztes und deshalb auf dem Vertrauen der kassenärztlichen Vereinigung und der Kassen, insbesondere auf die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten und die Richtigkeit der Abrechnungen“.
Schuldhaftes Verhalten ist nicht Voraussetzung. Die Entziehung der Zulassung ist auch nicht ausgeschlossen, wenn bereits eine Disziplinarmaßnahme wegen desselben Sachverhalts verhängt wurde (aber Beachtung der Verhältnismäßigkeit). Als Disziplinarmaßnahme kann gem. § 81 Abs. 5 SGB V auch das Ruhen der Zulassung für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren angeordnet werden. Außerberufliche Straftaten werden für den Entzug der Kassenzulassung wohl kaum in Betracht kommen. Strafgerichtlichen Feststellungen kommt bei Zulassungsentscheidungen keine Bindungswirkung zu. Ein Ruhen der Zulassung unter Rücksicht auf ein anhängiges Strafverfahren ist den Zulassungsbehörden nicht möglich.
ec) Disziplinarverfahren
Diese sind für Ärzte oder Apotheker in den verschiedenen Kammer- und Heilsberufsgesetzen der Bundesländer geregelt. Sie umfassen allerdings nicht den endgültigen oder vorübergehenden Entzug der Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes. Gegen Vertragsärzte gibt es noch die Möglichkeit auf der Grundlage der Satzungen der kassenärztlichen Vereinigungen Disziplinarverfahren zu führen. In Berlin ist das berufsrechtliche Verfahren in den §§ 16 ff Berliner Kammergesetz geregelt.
f) bei Geschäftsführern einer GmbH bzw. Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft
Hier gelten § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG und § 76 Abs. 3 Satz 2 Aktiengesetz. Sie sind inhaltsgleich. Die jeweiligen Sätze 4 der soeben zitierten Paragraphen verweisen auf § 70 StGB. Also auch das Strafgericht kann den Beruf insoweit verbieten. Ein Berufsverbot gem. § 70 schließt die Geschäftsführer- bzw. Vorstandsmitgliedschaftsstellung nur in solchen Unternehmen aus, deren Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise im Bereich des vom Verbot umfassten Berufes oder Berufszweiges liegen.
§ 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG und § 76 Abs. 3 Satz 2 Aktiengesetz sagen, dass man für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils nicht mehr Geschäftsführer oder Mitglied des Vorstands sein kann, wenn man rechtskräftig wegen einer Insolvenzstraftat gem. §§ 283 bis 283 d StGB verurteilt wurde. Die 5-Jahres-Frist beginnt mit dem Eintritt der Rechtskraft. Die Rechtsfolge des § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG tritt nur ein, wenn es sich um eine der dort bezeichneten Straftaten handelt, für andere gilt dieser Automatismus nicht.
Der Geschäftsführer kann gem. § 38 Abs. 1 GmbHG, sofern nichts anderes geregelt ist, jederzeit frei abberufen werden. Sollte die Abberufbarkeit des § 38 Abs. 2 GmbHG eingeschränkt worden sein, ist sie möglich bei strafbarem Verhalten gegen die Gesellschaft als auch bei strafbarem Verhalten im privaten Bereich. Strafbares Verhalten gegen die Gesellschaft ist zu sehen in der Annahme von Schmiergeldern, Fälschung von Abrechnungsunterlagen, Bilanzmanipulationen, Steuerhinterziehung und Missbrauch von Gesellschaftsvermögen für eigene Zwecke. Ein hinreichender Verdacht einer Straftat genügt. Es gelten die Voraussetzungen wie für die Verdachtskündigung im Arbeitsrecht.
Strafbares Verhalten im privaten Bereich kann nur dann für die Abberufung einen wichtigen Grund darstellen, wenn es in hohem Maße geeignet ist, das Vertrauen in den Charakter des Geschäftsführers zu erschüttern und hohe kriminelle Intensität zeigt. Beispiele: Kreditbetrug, Versicherungsbetrug, Hehlerei.
Durch die Abberufung ist auch nicht automatisch das Anstellungsverhältnis beendet, es sei denn, dies wurde so vereinbart.
g) Personal am Flughafen
Gem. § 7 Luftsicherheitsgesetz müssen u.a. Personen, die aus beruflichen Gründen nicht nur allgemein zugängliche Bereiche eines Flughafens betreten, auf ihre Zuverlässigkeit vom jeweiligen Luftfahrtlandesamt auf diese hin überprüft werden. Bei Unzuverlässigkeit verliegen sie das Betretesnrecht der nicht zugänglichen Bereiche und damit wohl häufig den konkreten Arbeitsplatz (Voraussetzung der Erlaubnis steht in der Regel in den Arbeitsverträgen).
6. arbeitsrechtliche Konsequenzen
a) Lügen im Bewerbungsgespräch
Zulässige Fragen des Arbeitgebers muss der Bewerber wahrheitsgemäß beantworten. Zulässig sind Fragen, soweit sie im Zusammenhang mit dem zu begründenden Arbeitsverhältnis stehen und nicht unverhältnismäßig in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers eingreifen. So ist die Frage nach der einschlägigen Vorbestraftheit (Missbrauch Schutzbefohlener beim Erzieher/Unterschlagung bei der Kassiererin) zulässig. Wenn die Strafe jedoch nicht ins polizeiliche Führungszeugnis eingetragen wird (einmalige Strafe bis inkl. 90 Tagessätze, aber s. § 32 BZRG) oder bereits wieder zu tilgen wäre, gilt man als nicht vorbestraft (s. § 53 Absatz 1 BZRG).Wird sie wahrheitswidrig beantwortet, muss mit einer Anfechtung gem. § 123 BGB des Arbeitsverhältnisses bei Bekanntwerden gerechnet werden. Die Rechtsfolge entspricht der einer außerordentlichen Kündigung. Für den öffentlichen Dienst mag hier etwas anderes gelten, ebenso für sicherheitsrelevante Tätigkeiten bei einem privaten Arbeitgeber (z.B. für das Bodenpersonal an Flughäfen).
b) Straftat oder Verdacht einer Straftat während eines Arbeitsverhältnisses
Untersuchungs- als auch Strafhaft kommen als Beendigungsgrund für ein Arbeitsverhältnis in Betracht. Der Arbeitnehmer erscheint nicht mehr zur Arbeit. Er kann unter Umständen aus verhaltens- und/oder personenbedingten Gründen fristlos bzw. ordentlich gekündigt werden.
Rechtsprechung und Lehre sind sich einig, dass der Arbeitnehmer keine Offenbarungspflichten aus Treuegründen gegenüber seinem Arbeitgeber bei eigenen Straftaten hat.
Auch gegenüber Dritten hat er keine Offenbarungspflicht. Durch die Whistleblower-Entscheidung des EGMR (Entscheidung vom 21.07.2011 zum Az. 28274/08) ist – im Gegenteil- die scharfe Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen den Whistleblower aufgeweicht worden (er darf sich doch unter gewissen Umständen sanktionslos mit Internas des Unternehmens an die Öffentlichkeit/Strafverfolgungsbehörden wenden).
Bei Verdacht einer Straftat oder erwiesener Straftat kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen. Einschlägig ist § 626 BGB für die außerordentliche Kündigung. Die ordentliche Kündigungsfrist ergibt sich aus den jeweiligen Vertrags- bzw. Tarifvertragswerken oder aus § 622 BGB. Die Kündigung muss immer schriftlich sein. Sie muss dem Arbeitnehmer zugehen. Im Übrigen sind u. U. die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes und des besonderen Kündigungsschutzes zu beachten.
c) zur außerordentlichen Kündigung
Der Verdacht oder die Straftat müssen einen wichtigen Grund, der als solcher konkret geeignet ist, darstellen. Dann muss in einer zweiten Stufe geprüft werden, ob andere, weitere konkrete Umstände des Einzelfalles es unzumutbar machen an dem Arbeitsverhältnis bis zum Auslaufen der ordentlichen Kündigungsfrist festzuhalten. In der dritten Stufe muss nach Kenntnis vom Grund innerhalb von 14 Tagen die Kündigung dem zu Kündigenden zugehen.
Das Kündigungsschutzgesetz unterscheidet zwischen verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungsgründen (sie liegen in der Person des Arbeitnehmers). Verhaltensbedingte und personenbedingte Kündigung unterscheiden sich darin, dass es einmal um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und das andere Mal um in der Person des Arbeitnehmers liegende Kündigungsgründe.
Darüber hinaus gibt es auch noch das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung.
Sollte ein Betriebsrat bestehen, muss vor jeder Kündigung der Betriebsrat angehört werden. Ähnliches gilt bei Personalvertretungen.
d) Kündigungsgrund U- bzw. Strafhaft
Häufig wird bei U-Haft von einer personenbedingten Kündigung auszugehen sein. Dann muss eine dreistufige Prüfung vorgenommen werden, die Informationen voraussetzt und dem Arbeitgeber Prognosen abverlangt.
Es kommt also immer auf die Einzelfälle an (offener Vollzug, keine konkreten Beeinträchtigungen des Arbeitgebers durch Fernbleiben usw.). Auch ein Wiederseinstellungsanspruch kann möglich sein (Kündigung wirksam und nachträgliche Tatsachen führen zu einem Anspruch auf Wiedereinstellung).
Bei Straftaten ist zu unterscheiden zwischen Straftaten im betrieblichen Bereich und Straftaten im außerbetrieblichen Bereich. In der Regel dürften bei Straftaten im betrieblichen Bereich verhaltensbedingte Kündigungen in Betracht kommen. Es ist dabei immer darauf zu achten, was konkret dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird und wie schwer dieser Vorwurf das Arbeitsverhältnis belastet. Im Weiteren ist nach der Betriebszugehörigkeit und der Auffälligkeit des Arbeitnehmers während der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers zu fragen. Nach der Emmely-Entscheidung des BAG (vom 10.06.2010 zum Az. 2 AZR 541/09) wissen wir, dass folgende Wechselbeziehung gilt:
Je geringer der Vorwurf und je länger die unbeanstandete Betriebszugehörigkeit, desto eher kommt keine fristlose Kündigung in Betracht. Hier ist an eine ordentliche Kündigung bzw. an eine vorherige Abmahnung zu denken.
Straftaten im außerbetrieblichen Bereich können die Eignung des Arbeitnehmers beeinträchtigen und daher eine personenbedingte Kündigung ermöglichen. Die Straftat muss einen Bezug zur arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit haben. Beispielsfälle (aus dem o.a. Münchener Handbuch, Artikel der Kollegen Hiebl und Becker, § 30, Rz 64):
- Einmaliger Diebstahl einer Sache im Wert von 30 bis 35 DM durch eine angestellte Gerichtshelferin bei der StA.
- Verteilung ausländerfeindlicher Pamphlete im Sinne von § 103 StGB.
- Alkoholbedingte Entziehung der Fahrerlaubnis nach Privatfahrt eines als Kraftfahrer beschäftigten Arbeitnehmers (andere Einsetzbarkeit im Betrieb nicht gegeben).
- Entziehung der Fahrerlaubnis beim U-Bahn-Zugfahrer.
- Trunkenheitsfahrt mit anschließender Fahrerflucht eines Leiters einer Kfz-Prüfstelle.
- Steuerhinterziehung in erheblicher Höhe bei einer Angestellten einer Justizbehörde (trotz Selbstanzeige).
- Tötungsdelikt eines im öffentlichen Dienst Beschäftigten.
- Sittlichkeitsdelikte von Pädagogen im Umgang mit Kindern
e) Exkurs: Verdachtskündigung
Das Bundesarbeitsgericht hat das Institut der Verdachtskündigung zugelassen. Verdachtskündigung ist gegeben, wenn der Arbeitgeber die Kündigung damit begründet, der Verdacht einer schweren Pflichtverletzung (die eben (noch) nicht erwiesen ist) habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Arbeitgeber muss soweit wie möglich alles aufklären und auf jeden Fall den betroffenen Arbeitnehmer zu einem Gespräch laden. Die 14-Tages-Frist ist zu beachten. Wenn nach seinen Ermittlungen ein Mehr an Ermittlungen kaum möglich erscheint und zwingend der Verdacht begründet ist, kann gekündigt werden. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten ein Strafverfahren abzuwarten. Der Verdacht muss selbstverständlich durch Tatsachen begründet werden können. Ein Wiedereinstellungsanspruch kann in Betracht kommen.
f) vermögensrechtliche Auswirkungen
Zum einen gibt es den Schadensersatz gem. § 628 Abs. 2 BGB. Die Schadensersatzpflicht trifft den, der durch sein vertragswidriges schuldhaftes Verhalten die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses provoziert hat. Der Schadensersatzanspruch beschränkt sich auf Schäden, die bei vertragsgemäßer Beendigung nicht entstanden wären. Der Schadensersatzanspruch ist auf die ordentliche Kündigungsfrist beschränkt (z. B. Mehrarbeitsstunden anderer Arbeitnehmer oder ein teurerer Nachfolger). Weitere mögliche Folgen:
- Herausgabepflicht von Schmiergeldern
- Widerruf der Pensionszusage
g) Arbeitsgerichts- und Strafverfahren
Hier gilt zunächst das zum Zivil- und Strafverfahren Gesagte (siehe oben). Eindrücklich darauf hinzuweisen ist aber, dass bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung unbedingt die Drei-Wochen-Frist einer Kündigungsschutzklage gewahrt werden sollte.
Zuletzt bleibt noch der Hinweis auf die Möglichkeit eines Wiedereinstellungsanspruches. Das Arbeitsgericht prüft die Rechtmäßigkeit einer Kündigung zu dem Zeitpunkt, zu welchem sie dem Empfänger zugeht. Zeitlich danach liegende Gründe, sofern sie nicht noch im Kündigungsschutzprozess selbst geltend gemacht werden können, sind auf einen Wiedereinstellungsanspruch zu richten. Sollte sich also die Unschuld des Arbeitnehmers erweisen, kann dieser ab erwiesener Unschuld einen Antrag auf Wiedereinstellung stellen und versuchen diesen gerichtlich durchzusetzen.
7. familienrechtliche Konsequenzen
a) Scheidungsverfahren/Getrenntleben bei Inhaftierung
Für Getrenntleben ist Voraussetzung das Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft und ein Trennungswille. Ersteres ist bei Haft immer gegeben, das Zweite muss geltend gemacht werden.
b) Beschränkung des Umgangsrechts
Nach § 1684 Abs. 4 BGB kann das Familiengericht das Umgangsrecht beschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Dies ist bei einer erwiesenen Straftat zum Nachteil des Kindes stets anzunehmen. Problematisch ist dies bei Verdachtsfällen. Bei vagem Tatverdacht soll es keine Einschränkung geben. Ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren führt je nach Einzelfall zu einer eventuellen Einschränkung des Umgangsrechts. Der Tatrichter muss das Gewicht des Tatverdachtes prüfen und mögliche Gefahren für das Kindeswohl abwägen. Auch im Familienrechtsverfahren gibt es keine Bindungswirkung.
Eine Beschränkung des Umgangsrechts aus ermittlungstaktischen Gründen kommt nicht in Betracht.
Das Strafverfahren kann oft dem Erkenntnisgewinn im Familiengerichtsverfahren dienen (Übersendung der Akte).
Inhaftiertsein alleine rechtfertigt eine Verhinderung des Umgangsrechtes nicht.
c) Beschränkung des Sorgerechts bei strafrechtlichen Verfehlungen
Dies kann angeordnet werden, wenn es um die Gefährdung des Kindeswohls oder das Vermögen des Kindes geht. Hauptfälle sind schwere Gewalttätigkeiten, sexueller Missbrauch und seelische Grausamkeit gegenüber dem Kind.
d) Auswirkungen eines Strafverfahrens auf das Unterhaltsrecht
Strafrechtlich relevante Verhaltensweisen können sich auf das Unterhaltsrecht auswirken und eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches zur Folge haben (§ 1579 Nr. 2 BGB). Die kann sich auch ergeben bei Strafanzeigen aus denunziatorischer Absicht (§ 1579 Nr. 4 BGB).
Unterhaltspflichten können durch Strafhaft gemindert werden bzw. entfallen. Sollte jedoch die Strafhaft bewusst verursacht worden sein, um sich unterhaltsrechtlichen Pflichten zu entziehen, gilt das nicht.
8. ausländerrechtliche Konsequenzen
Ausländerrechtliche Konsequenzen drohen hier im Großen und Ganzen hinsichtlich des Verlustes des Aufenthaltsstatusses und der Strafvollstreckung.
Es handelt sich um die Ausweisung, Abschiebung, Absehensanordnung gem. § 456 a StPO und Halbstrafe.
9. Kontrolle das Staates über die „Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra)“
Wenn Sie wissen wollen, welche Informationen aus Strafverfahren an andere Behörden weitergeleitet werden (dürfen/müssen), lesen Sie in der MiStra nach. Unter www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de finden Sie diese mit einem weiteren Anhang wichtiger Mitteilungspflichten, die außerhalb der MiStra geregelt sind (z.B. in den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (= RiVASt) und in der RiStBV).
10. Sonstiges
a) Rückzahlung Verfahrenskosten an die Rechtsschutzversicherung bei Vorsatz und Rückzahlung an die Verkehrshaftpflicht bei Verkehrsdelikten
Fast alle Rechtschutzversicherungen haben im Strafrechtsschutz eine Vorsatzklausel. Sollte also am Ende Vorsatz gerichtlich bestätigt werden, sind die Verfahrenskosten zurückzuzahlen.
Bei Verkehrsdelikten (§§ 316, 142 StGB) hat zwar die eigene Haftpflicht den Gegner zu entschädigen. Sie kann jedoch bis zu 5.000,00 € Rückgriff nehmen beim Versicherungsnehmer.
b) Akteneinsicht für den Nebenklägers/Verletzten
Diese kann der Informationsgewinnung dienen.
c) Folgen gegen das Unternehmen (Einziehung, Abschöpfung und Geldbuße)
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