Wohnungseigentumsrecht und das Coronavirus
Liebert & Röth: Rechtsanwälte für WEG-Recht Berlin & Bundesweit
Die aktuelle Krise mit der schnellen Verbreitung des Coronavirus in Deutschland wirft auch Fragen im WEG-Recht auf. Wohnungseigentümergemeinschaften und WEG-Verwaltungen stehen vor bisher nicht gekannten Herausforderungen.
Insbesondere zu klären ist die Frage, wie mit den vielen anstehenden Wohnungseigentümerversammlungen zu einem Zeitpunkt umzugehen ist, indem in allen Bundesländern Ausgangsbeschränkungen oder gar Ausgangssperren verhängt worden sind. An die Durchführung einer Eigentümerversammlung ist im Regelfall daher im Augenblick nicht zu denken.
Unabhängig von den aktuellen Fragen zu Versammlungen während der Pandemie, hat der Gesetzgeber auch eine umfassende Reform des WEG-Rechts auf den Weg gebracht. Eine Überblick über die Neuerungen finden Sie in dem Artikel WEG-Reform 2020
Corona-Gesetz
Deswegen sei auf folgende Gesetzesänderungen hingewiesen. Am 25.03.2020 hat der Deutsche Bundestag einstimmig das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ beschlossen (BT-DRS 19/18110).
Dieses kurz und bündig „Corona-Gesetz“ genannte Gesetzesvorhaben enthält auch wichtige Regelungen zum Wohnungseigentumsrecht. Unter „Artikel 2 - § 6 Wohnungseigentümergemeinschaften“ ist nämlich folgendes geregelt:
§ 6 Wohnungseigentümergemeinschaften
(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.
(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.
Durch diese beiden Bestimmungen soll -in Verbindung mit der gesetzlichen Ermächtigung des Verwalters zum Handeln in Notsituationen- die ordnungsgemäße Verwaltung und die Liquidität der Wohnungseigentümergemeinschaften bis auf weiteres sichergestellt werden.
Im Einzelnen:
Zu § 6 Abs. 1
Durch diese Bestimmung soll verhindert werden, dass ein verwalterloser Zustand eintritt, weil eine Neubestellung des Verwalters wegen Nichtdurchführbarkeit einer Eigentümerversammlung unmöglich ist. Dabei werden die gesetzlichen Höchstfristen des § 26 Abs. 1 WEG und die durch Bestellungsbeschluss festgelegte Dauer der Amtszeit eines Verwalters vorübergehend außer Kraft gesetzt.
Diese Regelung soll sowohl für den Fall gelten, dass der Bestellungszeitraum zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift bereits abgelaufen ist, als auch für den Fall, dass sie erst danach abläuft.
Zu § 6 Abs. 2
Da der beschlossene Wirtschaftsplan die rechtliche Grundlage für die Zahlung von Hausgeld durch die Wohnungseigentümer ist, wird durch die gesetzliche Regelung der Fortgeltung des alten, zuletzt beschlossenen Wirtschaftsplanes die Liquidität der Gemeinschaft sichergestellt, falls kein Fortgeltungsbeschluss seitens der Gemeinschaft gefasst wurde.
Schutz des Verwalters
Letztendlich wird durch diese Regelungen auch die Verwaltung geschützt. Der Umstand, dass der Verwalter keine Eigentümerversammlung durchführt und daher auch keine Beschlüsse mehr wirksam gefasst werden können, stellt keine Pflichtverletzung des Verwalters dar und rechtfertigt weder eine Abberufung noch eine Kündigung des Verwalters oder gar Schadensersatzansprüche ihm gegenüber.
Für die Verwaltung ist also die dringende Empfehlung auszusprechen, vorerst keine Eigentümerversammlungen durchzuführen. Die Durchführung einer Eigentümerversammlung mit der Anwesenheit einer unbestimmt großen Zahl von Personen ist zurzeit in den meisten Bundesländern aufgrund der behördlichen Vorgaben nicht mehr möglich bzw. möglicherweise sogar strafbar. Insofern hat der Verwalter auch kein Ermessen, ob er eine Versammlung durchführt oder nicht, dieses Ermessen dürfte sich auf Null reduziert haben.
Im Anschluss noch ein paar grundlegende Überlegungen zur Thematik.
Online-Versammlung
Eine rein virtuelle Eigentümerversammlung dürfte im Normalfall bislang noch unzulässig sein. Eine Ausnahme ergäbe sich dann, wenn die Gemeinschaftsordnung der WEG eine entsprechende Vereinbarung vorsehen würde. Andernfalls handelt es sich um eine sogenannte Nicht-Versammlung, mit der Folge, dass auf diesem Weg entstandene Beschlüsse nichtig wären.
Auch die Durchführung einer Eigentümerversammlung rein mittels Telefonkonferenz soll nach Ansicht der Rechtsprechung übrigens nicht möglich sein, da es ebenfalls an einer Versammlung fehlen würde. Auch hier besteht die Gefahr, dass die gefassten Beschlüsse als nichtig einzuordnen sind (so zumindest AG Königstein, Beschluss vom 16.11.2007 – 27 C 955/07).
Kein verwalterloser Zustand
Aufgrund des oben bereits zitierten § 6 des „Corona-Gesetzes“ wird sichergestellt, dass kein verwalterloser Zustand eintreten kann. Der derzeitige bestellte Verwalter bleibt auch nach Ablauf des Bestellungszeitraums im Amt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Bestellungszeitraum zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Corona-Gesetzes bereits abgelaufen war.
Damit sind die erheblichen Gefahren abgewendet, die entstehen, wenn eine Gemeinschaft keine existente Verwaltung hat und daher z.B. nicht wirksam zu einer Versammlung einladen kann.
Nach der Gesetzesbegründung bleibt die Möglichkeit der Niederlegung des Verwalteramtes seitens des Verwalters aber erhalten. Allerdings sollte sich in der jetzigen Situation jede Verwaltung überlegen, ob sie tatsächlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Verwalteramt niederlegen will oder ob sie nicht besser hiermit wartet, bis die Wohnungseigentümergemeinschaft Gelegenheit hatte auf einer Versammlung einen neuen Verwalter zu bestellen.
Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan
Es gibt keinen Grund, die Jahresabrechnung für das Jahr 2019 aktuell nicht zu erstellen und an die Wohnungseigentümer zu versenden. Die Jahresabrechnung müsste dann auf der nächsten Eigentümerversammlung entsprechend mit einem Beschluss legitimiert werden. Hier ändert sich also nichts.
Im Übrigen gilt gemäß § 6 Abs. 2 des „Corona-Gesetzes“ der im Jahre 2019 oder in einem der Vorjahre zuletzt genehmigte Wirtschaftsplan einfach fort. Somit besteht weiterhin die Verpflichtung der Eigentümer pünktlich Hausgeld zu zahlen und die Liquidität der Gemeinschaft wird nicht gefährdet.
Dringende Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen
Die Verwaltung ist auch bisher bereits mit einer gesetzlichen Notgeschäftsführungsbefugnis laut § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG ausgestattet. In dringenden Fällen darf (und muss!) die Verwaltung die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen auch ohne Beschlussfassung treffen.
Ein dringender Fall liegt etwa dann vor, wenn z. B. eine vorherige Befassung in einer Eigentümerversammlung nicht möglich sein sollte. Somit bleibt die Verwaltung auch in der jetzigen Situation in der Pflicht -als Ausdruck der geschuldeten ordnungsmäßigen Verwaltung- Notmaßnahmen jederzeit zu ergreifen. Die Notgeschäftsführung der Verwaltung umfasst dabei im Übrigen auch die Umsetzung behördlicher Anordnungen, z. B. die Sperrung von Spielplätzen und ähnliches.
Darüber hinaus kann die Verwaltung auch laufende Erhaltungsmaßnahmen nach § 27 Abs. 3 Nr. 3 WEG veranlassen.
Finanzierung dringender Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen
Kosten der Notgeschäftsführer seitens der Verwaltung sind vom Verwalter aus dem Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu begleichen, also entweder vom laufenden Geschäftskonto oder aus der Instandhaltungsrücklage.
Problematisch ist die Situation, wenn ausreichende liquide Mittel nicht vorhanden sind, dann bedarf es einer Sonderumlage. Die Erhebung einer Sonderumlage bedarf allerdings immer eines Beschlusses seitens der Gemeinschaft.
Fehlt es an einem erforderlichen Beschluss und fordert der Verwalter bei den Wohnungseigentümern eine Sonderumlage ab, sind diese nicht zur Zahlung verpflichtet.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen kurzfristigen Informationen weitergeholfen zu haben.
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