Balkonkraftwerke und Wohnungseigentumsrecht
Liebert & Röth: Rechtsanwälte für WEG-Recht Berlin & bundesweit
Update: Am 17.10.2024 ist die Reform des WEG-Rechts 2024 in Kraft getreten.
Damit können ab sofort Beschlüsse zu Balkonkraftwerken gefordert und verabschiedet werden.
Einleitung
Ob aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes oder aus der Idee heraus, den gestiegenen Energiekosten etwas durch eigene Stromproduktion entgegenzusetzen:
Viele Wohnungseigentümer spielen aktuell mit dem Gedanken, sich ein sogenanntes Balkonkraftwerk (oder auch Steckersolaranlage), also eine kleine Photovoltaikanlage an ihrem Balkon, auf ihrer Dachterrasse oder anderen verfügbaren Flächen zu installieren.
Reformbestrebung
Im Wohnungseigentumsrecht stellt sich die Frage, inwieweit neben den anderen Hürden für derartige Anlagen auch das WEG-Gesetz selbst betroffen ist.
Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern Sondereigentümer einen genehmigten Beschluss der Eigentümerversammlung benötigen bzw. Anspruch auf einen derartigen Beschluss haben.
Mit dem Solarpaket 1 hat das Bundeskabinett im August 2023 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des EEG und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften in den Bundestag eingebracht. Entgegen den Erwartungen wurde dieser Gesetzesentwurf nicht mehr abschließend im Jahr 2023 beraten und auch nicht zur Gänze verabschiedet. Es steht zu erwarten, dass im zweiten Quartal 2024 der Gesetzesentwurf verabschiedet wird.
Änderungen im WEG-Gesetz
Der Katalog der privilegierten Baumaßnahmen in § 20 Abs. 2 WEG wurde um Steckersolargeräte zu erweitert (korrespondierend hierzu wurde die mietrechtliche Vorschrift des § 454 BGB ebenfalls entsprechend abgeändert ).
§ 20 Abs. 2 Satz 1 WEG lautet nunmehr wie folgt:„Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die (…)
5. der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.“
Diese sogenannten privilegierten baulichen Veränderungen, die jeder Wohnungseigentümer von seiner Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen kann, sind bisher bauliche Veränderungen, die
- dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung,
- dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
- dem Einbruchsschutz und
- dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen.
Diese privilegierten Bauvorhaben wurden mit der Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes im Dezember 2020 eingeführt (detailliert zur großen WEG-Reform: Reform des WEG-Rechts).
Die Norm wird so verstanden, dass der Sondereigentümer, der eine entsprechende bauliche Veränderung anstrebt, zwar nicht ohne Zustimmung der WEG agieren darf.
Für einen zustimmenden Beschluss gibt es aber einen Anspruch, der auch gerichtlich durchgesetzt werden könnte.
Rechtliche Situation vor den gesetzlichen Änderungen
Nachdem der Gesetzesentwurf noch nicht angenommen worden ist, stellt sich die Frage, wie aktuell im Wohnungseigentumsrecht der Wunsch, ein Balkonkraftwerk zu installieren, umgesetzt werden kann. Installation als bauliche Veränderung Die Installation einer derartigen Anlage dürfte in vielen Fällen eine sogenannte bauliche Veränderung, also zumindest eine Änderung des optischen Erscheinungsbildes der Wohnungseigentumsanlage nach außen darstellen.
Eine derartige Veränderung kann seit der großen Reform 2020 die Wohnungseigentümergemeinschaft mit einfacher Mehrheit beschließen. Die früher geltenden Sperrminoritäten gibt es nicht mehr.
Beschluss notwendig
Vor diesem Hintergrund sollte also versucht werden, durch einen Beschluss auf der nächsten Eigentümerversammlung eine Erlaubnis zur Installation zu erhalten. Eine Erlaubnis seitens des Verwalters dürfte regelmäßig nicht ausreichen, es sei denn, die Teilungserklärung enthält ausdrücklich entsprechende Regelungen.
Rückbauanspruch der WEG
Installiert ein Sondereigentümer ein Balkonkraftwerk ohne Genehmigung seitens seiner Gemeinschaft, so droht ein Rückbau.
So stellt sich die Frage, ob im konkreten Fall die Installation des Balkonkraftwerks eine bauliche Veränderung darstellt oder nicht. Dies sind Fragen des Einzelfalls, die sich nicht pauschal beantworten lassen. Entscheidungen gibt es mittlerweile in beide Richtungen.
Sollte sich die Installation aber als bauliche Veränderung darstellen, so hat die Wohnungseigentümergemeinschaft einen auch gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Unterlassung und Rückbau der installierten Anlage.
Sinnvoll erscheint es daher immer, vorab für die kommende Eigentümerversammlung einen entsprechenden Tagesordnungspunkt vorzubereiten und um entsprechende Genehmigung zu bitten.
Ausblick
An einer Genehmigungspflicht hat sich durch die Reform nichts geändert, wie auch schon bisher für sogenannte privilegierte Vorhaben grundsätzlich der Beschluss der Gemeinschaft notwendig ist.
Um das friedliche und konstruktive Zusammenleben untereinander nicht zu gefährden, sollte daher immer mit offenen Karten gespielt und um Genehmigung gebeten werden.
Weitere Voraussetzungen zur Installation des Kraftwerks
Nicht aus dem Wohnungseigentumsrecht, sondern aus Gesetzen wie dem EEG und weiteren Vorschriften ergeben sich weitere Voraussetzungen für die Installation und den Betrieb einer derartigen Anlage, die hier nur stichwortartig genannt werden sollen.
Hierzu hat das Solarpaket 1 der Bundesregierung erhebliche Erleichterungen vorgesehen, die zum Teil aber ebenfalls noch nicht umgesetzt worden sind. Hierzu noch einige Stichworte:
- Die 800-Watt-Einspeisegrenze
- Das vereinfachte Anmeldeverfahren der Anmeldung im Markstammdatenregister (MaStR)
- Die neue Obergrenze für die Gesamtnennleistung der Solarmodule
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