Stimmrechte in der Wohnungseigentümergemeinschaft
Liebert & Röth: Rechtsanwälte für WEG-Recht Berlin & bundesweit
In der Eigentümerversammlung einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) werden die wichtigsten Entscheidungen über das Gemeinschafts- und Sondereigentum getroffen. Doch wie ist das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung geregelt? Wer ist stimmberechtigt und wie werden die Stimmen der Wohnungseigentümer gewichtet? In diesem Artikel erläutern wir Ihnen die wichtigsten Aspekte zum Thema Stimmrecht in der WEG.
Ist in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung der WEG keine abweichende Regelung zum Stimmrecht getroffen, gilt das gesetzliche Kopfstimmrecht nach § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG. Das bedeutet, dass jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat, unabhängig von der Anzahl oder Größe der Einheiten, die ihm in der WEG gehören.
Das Kopfstimmrecht soll die Gleichberechtigung aller Wohnungseigentümer gewährleisten und verhindern, dass einzelne Wohnungseigentümer die Wohnungseigentümergemeinschaft dominieren.
Die Stimmrechtsprinzipien im Überblick: Das Kopfprinzip, das Wertprinzip und das Objektprinzip
Gesetzliches Kopfprinzip
Wie bereits erwähnt, gilt gemäß § 25 Abs. 2 WEG grundsätzlich das Kopfprinzip. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht auch anders abstimmen kann. Durch Vereinbarung ist auch eine andere Verteilung der Stimmrechte möglich. So können Wohnungseigentümergemeinschaften die Stimmrechte auch nach dem Wertprinzip oder dem Objektprinzip verteilen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dies durch eine entsprechende Vereinbarung in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung ausdrücklich geregelt ist. Damit kann der gesetzliche Normalfall des Kopfprinzips umgangen werden.
Ein Beschluss der WEG würde hierfür übrigens nicht ausreichen.
Wertprinzip in der WEG
Bei der Stimmverteilung nach dem Wertprinzip richtet sich das Stimmrecht der Wohnungseigentümer nach der Anzahl der Miteigentumsanteile. Die Miteigentumsanteile (MEA) werden in der Teilungserklärung festgelegt und bestimmen sich für die einzelnen Einheiten meist nach der Wohnfläche, dies ist aber nicht zwingend.
Der Unterschied zum Kopfprinzip ist leicht nachvollziehbar: Wer eine größere oder mehrere Einheiten besitzt, trägt auch höhere Kosten und Lasten als andere. Vor diesem Hintergrund wird es oft als gerecht empfunden, ihm ein größeres Stimmrecht einzuräumen.
Objektprinzip in der WEG
Beim Objektprinzip hat der Eigentümer für jede Einheit, die ihm gehört eine Stimme. Jeder Eigentümer hat also so viele Stimmen, wie er Sondereigentumsrechte besitzt.
Auch das Objektprinzip hat Vor- und Nachteile: Wer viele Einheiten besitzt, kann die WEG dominieren. Andererseits ist das Objektprinzip wesentlich einfacher zu berechnen als beispielsweise das Wertprinzip.
Änderung der Stimmrechte
Die Entscheidung über die Stimmrechte liegt zunächst beim teilenden Eigentümer bzw. Bauträger, der die Wohnungseigentümergemeinschaft errichtet. Grundsätzlich kann die Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung von den Wohnungseigentümern nachträglich geändert werden, allerdings nicht durch Beschluss, sondern nur durch eine so genannte Vereinbarung.
Eine Vereinbarung setzt eine einstimmige Entscheidung aller Eigentümer voraus, außerdem müssen die Unterschriften aller Eigentümer notariell beglaubigt werden. Nur wenn die Vereinbarung als Änderung oder Ergänzung der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung im Grundbuch eingetragen wird, gilt sie auch für künftig hinzukommende Eigentümer.
Die Eigentümer müssen sich also einig sein und einen gewissen zeitlichen und finanziellen Aufwand betreiben.
Insofern ist es sinnvoll, vor dem Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Teileigentums die Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung genau zu prüfen. Eine nachträgliche Änderung ist wegen des Einstimmigkeitsprinzips oft nur schwer durchsetzbar.
Ausübung des Stimmrechts
Das Stimmrecht kann nur derjenige ausüben, der zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung als Eigentümer der Einheit im Grundbuch eingetragen ist. Sind mehrere Personen Miteigentümer
Beispiel: Ein Ehepaar besitzt eine Eigentumswohnung zu je ½
müssen sie ihr Stimmrecht einheitlich ausüben. Dies ist ausdrücklich in § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG geregelt.
Das bedeutet, dass sie sich vorher einigen müssen und gemeinsam nur eine Stimme abgeben können. Eine Teilung dieser einen Stimme ist nicht möglich.
Ausübung des Stimmrechts durch einen Vertreter
Das Stimmrecht kann auch durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden, zum Beispiel durch den Ehepartner, den Verwalter, den Verwaltungsbeirat oder in vielen Fällen auch durch einen Rechtsanwalt.
Häufig ist es so, dass der Käufer einer Eigentumswohnung zum Zeitpunkt der nächsten Eigentümerversammlung noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, aber bereits in der Eigentumswohnung wohnt und Wohngeld zahlt. Es ist daher sinnvoll und üblich, den Käufer bereits im Kaufvertrag vom Verkäufer der Einheit zu bevollmächtigen, in der Eigentümerversammlung im Namen des Verkäufers abzustimmen.
Eine entsprechende Vollmacht zur Vertretung in einer Eigentümerversammlung bedarf nach § 25 Abs. 3 WEG zu ihrer Wirksamkeit heute nur noch der Textform nach § 126 b BGB, die Schriftform ist nicht mehr erforderlich. Der Vertreter kann also auch per Telefax oder z.B. per E-Mail bevollmächtigt werden. Eine nur mündliche Bevollmächtigung wäre nicht ausreichend.
Ausschluss des Stimmrechts
In welchen Fällen hat ein Wohnungseigentümer kein Stimmrecht in der Eigentümerversammlung?
Das Stimmrecht gehört zum Kernbereich der elementaren Mitwirkungsrechte der Wohnungseigentümer (BGH, Urteil vom 18.01.2019, BGH ZR 72/18).
Ein dauerhafter Ausschluss oder Verzicht oder eine Abspaltung des Stimmrechts von der Eigentumseinheit ist daher nicht möglich.
Das Gesetz kennt allerdings Stimmrechtsausschlüsse nach § 25 Abs. 4 WEG. Dies sind Fallkonstellationen, die einen schwerwiegenden Interessenkonflikt erwarten lassen. Der betroffene Wohnungseigentümer darf dann bei entsprechenden Beschlüssen nicht mitstimmen.
Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einem Wohnungseigentümer
Nach § 25 Abs. 4 Alt. 1 WEG ist ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt, wenn die Gemeinschaft über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm beschließt.
Beispiel: Eigentümer A ist Inhaber eines Dachdeckerbetriebes und die WEG beschließt über den Abschluss eines Bauvertrages über die Neueindeckung des Daches der Liegenschaft mit A. Der Miteigentümer A ist hier nicht stimmberechtigt.
Die Bestellung oder Abberufung eines Verwalters ist dagegen kein Rechtsgeschäft. Der Eigentümer, der zugleich Verwalter ist, könnte also an einem solchen Beschluss mitwirken.
Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen einen Wohnungseigentümer
Der betroffene Wohnungseigentümer, gegen den die WEG einen Rechtsstreit beginnen oder beenden will, ist bei diesem Beschluss ebenfalls nicht stimmberechtigt, dies ergibt sich aus § 25 Abs. 4 Alt. 2 WEG.
Rechtskräftige Verurteilung zur Veräußerung
Ist ein Wohnungseigentümer gemäß § 17 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt worden, so ist er gemäß § 25 Abs. 4 Alt. 3 WEG.
Missbrauch des Stimmrechts
Kein Wohnungseigentümer darf sein Stimmrecht missbräuchlich ausüben. Ein Stimmrechtsausschluss kommt daher bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten in Betracht. Die Hürden sind jedoch hoch und ein solcher Stimmrechtsausschluss kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht (BGH V ZR 290/16, Urteil vom 14.07.2017).
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