Untergemeinschaften in der WEG
Liebert & Röth Rechtsanwälte - Fachanwälte für WEG-Recht in Berlin & bundesweit
Beispiel: In einer Wohnanlage mit mehreren Häusern könnte jedes Haus eine Untergemeinschaft bilden, die für die Instandhaltung ihres Gebäudes zuständig ist.
Untergemeinschaften sind nicht rechtsfähig, sie können weder Verträge abschließen noch klagen oder verklagt werden. Sie agieren nur im Innenverhältnis der Gesamtgemeinschaft. Das Ziel der Bildung von Untergemeinschaften besteht darin, dass in Angelegenheiten, die ausschließlich die eigene Untergemeinschaft betreffen, nur die jeweiligen Eigentümer zuständig, kostentragungspflichtig und stimmberechtigt sind.
Durch die Bildung von Untergemeinschaften können Entscheidungsprozesse effizienter gestaltet und individuelle Bedürfnisse besser berücksichtigt werden.
Rechtliche Grundlagen von Untergemeinschaften
Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) erwähnt Untergemeinschaften nicht explizit, erlaubt jedoch in § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG abweichende Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Entscheidungen die Zulässigkeit von Untergemeinschaften bestätigt. Er sieht in der Bildung von Untergemeinschaften einen Ausdruck der Privatautonomie, wie sie dem Zivilrecht eigen sei (vgl. BGH V ZR 184/16, BGH V ZR 204/20)
Wichtig: Die Schaffung von Untergemeinschaften setzt immer eine ausdrückliche und eindeutige Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung (Teilungserklärung) voraus. Mit einem Beschluss in einer Eigentümerversammlung können keine Untergemeinschaften geschaffen werden.
Rechtsfähigkeit und juristische Stellung von Untergemeinschaften
Eine wesentliche Einschränkung bei Untergemeinschaften ist ihre fehlende Rechtsfähigkeit. Im Gegensatz zur Gesamtgemeinschaft können Untergemeinschaften nicht im Rechtsverkehr nach außen auftreten. Dies hat wichtige praktische Konsequenzen:
- Untergemeinschaften können keine eigenständigen Verträge abschließen
- Sie können keinen eigenen Verwalter bestellen
- Sie besitzen keine eigenen Bankkonten (diese werden von der Gesamtgemeinschaft geführt)
- Sie können nicht als Partei vor Gericht auftreten (nicht parteifähig)
Das Oberlandesgericht Brandenburg (Az. 2 U 119/19) hat ausdrücklich festgestellt, dass Untergemeinschaften im Zivilrechtsstreit nicht parteifähig sind. Rechtsfähig ist ausschließlich die Gesamtgemeinschaft.
Untergemeinschaften existieren somit nur im Innenverhältnis der WEG und bilden keinen selbstständigen Rechtsträger neben der Gesamtgemeinschaft.
Bildung und Regelung von Untergemeinschaften in der Gemeinschaftsordnung
Die Bildung von Untergemeinschaften erfolgt durch eine entsprechende Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung (als Teil der Teilungserklärung).
Diese Vereinbarung sollte folgende Punkte regeln:
- Klare Definition der Untergemeinschaften: Welche Gebäude oder Gebäudeteile gehören zu welcher Untergemeinschaft?
- Verwaltungszuständigkeit: Welche Angelegenheiten darf die Untergemeinschaft eigenständig verwalten?
- Beschlusskompetenz: Über welche Maßnahmen dürfen die Mitglieder der Untergemeinschaft eigenständig beschließen?
- Kostentragung und -verteilung: Wer trägt die Kosten für Maßnahmen der Untergemeinschaft?
- Finanzierung: Wie werden die Maßnahmen finanziert (z.B. eigene Instandhaltungsrücklagen für jede Untergemeinschaft)?
- Stimmrechtsregelungen: Wer ist bei Beschlüssen der Untergemeinschaft stimmberechtigt?
- Regelungen zum äußeren Erscheinungsbild: Beschlüsse über bauliche Veränderungen und deren Grenzen.
Je klarer und präziser diese Punkte in der Gemeinschaftsordnung geregelt sind, desto weniger Streitpotenzial gibt es in der Praxis.
Unklare oder lückenhafte Regelungen führen oft zu Rechtsstreitigkeiten. Die Gerichte tendieren dazu, unklare Regelungen in den Gemeinschaftsordnungen als nichtig anzusehen.
Beschlusskompetenz und Kostentragung in Untergemeinschaften
Ein zentraler Punkt bei der Bildung von Untergemeinschaften ist die Frage, wer über welche Maßnahmen entscheiden darf und wer die Kosten dafür trägt. Der BGH hat hierzu klare Leitlinien entwickelt:
- Beschlusskompetenz: Untergemeinschaften können die Kompetenz erhalten, eigenständig über Angelegenheiten zu entscheiden, die ausschließlich ihren Bereich betreffen (z.B. Instandhaltung des eigenen Gebäudes).
- Kostentragung im Innenverhältnis: Eine solche Beschlusskompetenz ist jedoch nur dann zulässig, wenn gleichzeitig festgelegt wird, dass die Kosten für diese Maßnahmen im Innenverhältnis ausschließlich von den Mitgliedern der betreffenden Untergemeinschaft getragen werden.
Im BGH-Urteil vom 12.11.2021 (Az. BGH V ZR 204/20) ging es um eine Tiefgarage, die teilweise unter Wohngebäuden lag und als deren Fundament diente. Der BGH entschied, dass die Teileigentümer der Tiefgaragenstellplätze dennoch allein die Kosten für Sanierungsmaßnahmen an der Tiefgarage tragen müssen, wenn dies in der Gemeinschaftsordnung so vereinbart wurde - und zwar auch im Hinblick auf tragende Bauteile, die zugleich tragende Funktionen für die Wohngebäude haben.
Wichtig: Die Außenhaftung der Gesamtgemeinschaft bleibt bestehen. Im Außenverhältnis haftet stets die Gesamtgemeinschaft für Verbindlichkeiten. Dies stellt nach Ansicht des BGH jedoch kein Problem dar, da das wirtschaftliche Risiko für die übrigen Eigentümer gering ist und im Innenverhältnis ein Ausgleichsanspruch gegenüber den Mitgliedern der Untergemeinschaft besteht.
Jahresabrechnung und Rechnungswesen bei Untergemeinschaften
Auch wenn Untergemeinschaften weitgehend selbstständig agieren, gibt es beim Rechnungswesen wichtige Einschränkungen.
Der BGH (Az. BGH V ZR 163/20) hat klargestellt:
- Einheitliche Jahresabrechnung: Auch bei Bildung von Untergemeinschaften muss eine einheitliche Jahresabrechnung für die gesamte WEG erstellt und von der Gesamtgemeinschaft beschlossen werden. Jahresabrechnungen allein für die Untergemeinschaften reichen nicht aus.
- Gesamtabrechnung mit Aufschlüsselung: In der Jahresabrechnung der Gesamtgemeinschaft müssen die für einzelne Untergemeinschaften getrennt erfassbaren Kosten auch je Untergemeinschaft einzeln aufgeschlüsselt werden.
- Instandhaltungsrücklage: Die Instandhaltungsrücklage ist grundsätzlich Sache der Gesamtgemeinschaft, auch wenn die Untergemeinschaften eigene Rücklagen bilden. Die Gesamtabrechnung muss Auskunft darüber geben, wie zweckgebundene Gelder verbucht wurden. Rechnerisch getrennte Instandhaltungsrücklagen nach Untergemeinschaften sind nur bei ausdrücklicher Regelung denkbar.
- Bankkonten: Die Gesamtgemeinschaft ist Inhaberin aller Bankkonten - auch jener, auf denen die Rücklagen der einzelnen Untergemeinschaften geführt werden.
Bei der praktischen Verwaltung können für jede Untergemeinschaft eigene Unterkonten angelegt werden, sodass eine getrennte Buchführung möglich ist. Aus der Gesamtrechnungslegung kann dann eine untergemeinschaftsspezifische Abrechnung erstellt werden.
Eigentümerversammlung und Untergemeinschaften
Fraglich ist ob bei Vorliegen von Untergemeinschaften mehrere Versammlungen durchgeführt werden können oder sogar müssen. Hierzu hat die Rechtsprechung folgende Leitlinien entwickelt:
- Es ist zulässig, dass zu einer (Gesamt-)Eigentümerversammlung eingeladen wird und bei einer Beschlussfassung über Angelegenheiten nur einer Untergemeinschaft die übrigen Eigentümer kein Stimmrecht haben, wenn nicht ausdrücklich Teilversammlungen vorgesehen sind (BGH V ZR 199/19). Der Ausschluss des Stimmrechts führt im Übrigen nicht dazu, dass die übrigen Eigentümer sich nicht an der Diskussion beteiligen dürfen.
- Es ist möglich, dass durch Vereinbarung Teilversammlungen der Mitglieder einer Untergemeinschaft erlaubt werden.
- Der BGH hat offengelassen, ob es zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse einer (Gesamt-) Eigentümerversammlung führt, wenn dort unter Beteiligung der übrigen Eigentümer über Angelegenheiten Beschluss gefasst wird, über die nach der Gemeinschaftsordnung nur in Teilversammlungen beschlossen werden soll (BGH V ZR 199/19).
- Selbst wenn Teilversammlungen möglich oder vorgeschrieben sind, bedarf es im Zweifel immer noch einer (Gesamt-)Eigentümerversammlung für die Beschlussfassung über Angelegenheiten, die alle Wohnungseigentümer betreffen.
Vor- und Nachteile von Untergemeinschaften
Untergemeinschaften bieten in großen Wohnanlagen viele Vorteile, bringen aber auch Herausforderungen mit sich:
Vorteile:
- Effiziente Verwaltung durch schnellere und gezieltere Entscheidungsprozesse
- Höhere Verteilungsgerechtigkeit bei den Kosten
- Bedarfsgerechte Lösungen für unterschiedliche Gebäudeteile
- Autonomiegewinn für die einzelnen Gebäudekomplexe
- Entlastung von der Verwaltungsverantwortung für andere Gebäude
Nachteile:
- Komplexere Verwaltungsstruktur mit höherem Verwaltungsaufwand
- Potenzielle Rechtsunsicherheiten bei unklaren Regelungen
- Mögliche Konflikte zwischen Untergemeinschaften
- Eingeschränkte Handlungsfähigkeit im Außenverhältnis
- Risiko der Unterfinanzierung einzelner Untergemeinschaften
Für eine erfolgreiche Umsetzung von Untergemeinschaften ist eine klare und rechtssichere Gestaltung der Gemeinschaftsordnung unerlässlich. Die Grenzen und Kompetenzen müssen eindeutig definiert sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Tipps für Eigentümer und Käufer zu Untergemeinschaften
Für Wohnungseigentümer und potenzielle Käufer von Eigentumswohnungen in Anlagen mit Untergemeinschaften sind folgende Punkte besonders wichtig:
- Prüfen Sie die Gemeinschaftsordnung genau auf die Regelungen zu Untergemeinschaften
- Achten Sie darauf, dass Beschlüsse der Untergemeinschaft im Rahmen ihrer Kompetenz bleiben
- Bei Unklarheiten sollte eine rechtliche Klärung (z.B. durch Anfechtung) herbeigeführt werden
Praktische Verwaltungstipps zu Untergemeinschaften
- Die Verwaltung sollte für jede Untergemeinschaft separate Kostenkonten führen
- Protokolle von Versammlungen der Untergemeinschaften sollten allen Eigentümern zugänglich gemacht werden
- Sinnvoll ist, in den einheitlichen Verwaltungsbeirat aus jeder Untergemeinschaft einen Vertreter zu entsenden
- Bei größeren Maßnahmen sollte die Beschlusskompetenz vorab rechtlich geprüft werden
- Beachten Sie: Beim Erwerb einer Wohnung in einer Anlage mit Untergemeinschaften können auf Sie als Eigentümer unterschiedliche Kostenbelastungen zukommen, je nachdem, zu welcher Untergemeinschaft Ihre Wohnung gehört und welcher Sanierungsbedarf dort besteht.
Alternative zu Untergemeinschaften durch die WEG-Reform 2020 (WEMoG)
Nach der WEG-Reform 2020 (WEMoG) ist es übrigens auch ohne bestehende Untergemeinschaftsregelung möglich, durch Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG alternative Kostenverteilungen festzulegen.
Dies ermöglicht eine flexiblere Gestaltung der Kostentragung, ohne die komplexen Strukturen einer Untergemeinschaft schaffen zu müssen.
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